Istanbul: Hausarrest und Ausreisesperren gegen LGBTI+-Aktivisten

Ein Istanbuler Gericht hat Hausarrest, Meldeauflagen und Ausreisesperren gegen mehrere Transfrauen, LGBTI+-Aktivist*innen und einen Journalisten verhängt. Alle Betroffenen waren am Samstag bei einer Kundgebung zum 8. März festgenommen worden.

Ein Gericht in der Bosporusmetropole Istanbul hat zwei Transfrauen in den Hausarrest geschickt. Gegen sie sowie sechs LGBTI+-Aktivist*innen und einen Journalisten ordnete das Gericht zudem Meldeauflagen und ein Ausreiseverbot an. Allen Betroffenen wird vorgeworfen, Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet zu haben. Eine von ihnen ist die bekannte Transaktivistin Yıldız İdil Şen. Sie war zusammen mit drei weiteren Transfrauen sowie dem Fotojournalisten Şener Yılmaz Aslan am Samstag nach dem „Großen Frauentreffen“ anlässlich des Frauenkampftags 8. März im Istanbuler Stadtteil Kadıköy vor laufenden Kameras gewaltsam festgenommen worden. Drei weitere Personen wurden an einer anderen Stelle von der Polizei abgefangen. Die Staatsanwaltschaft hatte in allen Fällen Untersuchungshaft beantragt.

Wie die linke Anwaltsvereinigung ÇHD mitteilte, wurde die Dauer für den elektronisch überwachten Hausarrest gegen Şen und die Transfrau Güneş auf einen Monat festgelegt. Zweimal pro Woche müssen sich alle Betroffenen zudem bei der Polizei melden. Der HDK (Demokratischer Kongress der Völker) zeigte sich empört über die gerichtlichen Maßnahmen und die Polizeigewalt gegen die LGBTI+-Aktivist*innen. „Der Hass und die Intoleranz, Gewalt sowie Diskriminierung, die LGBT+ in diesem Land erfahren, ist zweifellos durch Homophobie motiviert. Die Behörden ignorieren jedoch bewusst, dass es sich hierbei um Hasskriminalität handelt”, hieß es. Alle Betroffenen, die festgenommen wurden, gehörten bei der gestrigen Kundgebung dem LGBTI+-Block des HDK an, aus dem die HDP als politische Partei hervorgegangen ist. Schon beim Einlass auf den Hafenvorplatz gerieten die Aktivist*innen ins Visier der Polizei, die in ihrem Fall besonders intensive Taschenkontrollen durchführte und Pride-Flaggen sowie Regenschirme mit den Regenbogenfarben einsammelte. Begründet wurde das Vorgehen mit einem angeblichen „Verbot von LGBTI+-Symbolen”, das vom Gouverneursamt ausgesprochen worden sei.

Die homophoben Schikanen durch die Polizei gingen auch während der Kundgebung weiter. So wurde das Mikrofon ausgeschaltet, während Yıldız İdil Şen eine Rede hielt. Die Festnahmen erfolgten im Anschluss an das Frauentreffen außerhalb des Kundgebungsplatzes. Şen und drei weitere Transfrauen wurden brutal aus einem Taxi herausgezerrt und festgenommen. Etliche Menschen versuchten, die Festnahmen zu verhindern und bekamen ebenfalls Schläge und Tritte ab. Der Journalist Şener Yılmaz Aslan fotografierte die Szenen und wurde in der Folge ebenfalls abgeführt.

Hausarrest als Alternative zur Haft 

Obwohl es hinsichtlich Meldeauflagen und Hausarrest ein Urteil (Fall von Mustafa Balbay) des türkischen Verfassungsgerichts gibt, werden dennoch beide Methoden inflationär gegen Personen angewandt, die zum Feindbild der AKP/MHP-Regierung gehören. Der Gerichtshof stellte im Fall des Journalisten Balbay fest, dass derartige Maßnahmen nur getroffen werden können, wenn handfeste Beweise gegen die Beschuldigten vorliegen. Mittlerweile hat sich der Hausarrest sogar als Alternative zur Untersuchungshaft entwickelt.