Wan: Tägliche Meldeauflagen für 7000 Menschen

In der nordkurdischen Stadt Wan leben 7000 Menschen unter Meldeauflagen.

Die andauernden Inhaftierungen Oppositioneller in der Türkei und insbesondere in Nordkurdistan haben zu einer massiven Überbelegung der Gefängnisse geführt. Als Alternative zur Inhaftierung werden daher immer mehr Meldeauflagen erteilt. Die Einführung von Meldeauflagen als Alternative zur Haft betrifft allerdings weit mehr Personen als potentielle Untersuchungshäftlinge. Alleine in Wan sind 7000 Menschen auf Widerruf in Freiheit und müssen sich täglich oder wöchentlich bei der Polizei melden.

Wenn eine Person einmal eine Unterschrift vergisst oder verzögert abgibt, wird dies obligatorisch der Staatsanwaltschaft gemeldet und der Betroffene sofort inhaftiert. Mehrere hundert Personen befinden aufgrund solcher „Verstöße“ gegen die Auflagen allein in Wan in Haft. An den Tagen, an denen die Unterschriften geleistet werden müssen, entstehen lange Schlangen vor den Polizeirevieren. Während ein Großteil der Betroffenen sagt, es sei besser, als ins Gefängnis zu gehen, meinen viele, dass diese Form der „Meldeauflagen“ von der Justiz exzessiv ausgeschöpft wird und viel mehr Personen unter „Kontrolle“ gestellt werden. Die geringsten Straftaten können schon zu solchen Auflagen führen.

Der Anwalt Cemal Demir berichtet, dass diese Meldeauflagen auch in Verfahren angewandt werden, in denen ein Freispruch zwingend ist. Seit 2013 ist das Gesetz zur „Freilassung unter Kontrolle“ in Kraft. Seitdem wird dem Anwalt zu Folge die persönliche Freiheit und Sicherheit von der Justiz in weitaus mehr Fällen beschnitten. Türkeiweit werden Hunderttausende als „potentiell Flüchtige“ betrachtet. „So übt der Staat massive Kontrolle auf der juristischen und Ebene und der Verwaltungsebene aus. Die Qualität dieser Kontrolle liegt nahe bei einer Inhaftierung, denn jeglicher Verstoß führt direkt ins Gefängnis. Statt dieser Praxis, welche starke Auswirkungen auf die Psyche und das Alltagsleben der Betroffenen hat, muss eine Praxis entwickelt werden, welche die persönliche Freiheit und Sicherheit der Betroffenen nicht beeinträchtigt“, so Demir.