Die ETHA-Korrespondentin Pınar Gayıp ist eine der 48 Personen, die am 14. Januar bei einer Operation gegen die sozialistische Partei ESP in der Türkei festgenommen wurden. Die Journalistin wurde nicht verhaftet, sondern in den Hausarrest geschickt. Der Hausarrest ist eine Maßnahme, die in letzter Zeit häufig angeordnet wird. Pınar Gayıp verweist darauf, dass es eine andere Form der Haft ist. Sie arbeitet seit 2014 als Journalistin. Am Anfang ihrer Tätigkeit hat sie bei den Aktivitäten, an denen sie ohnehin teilgenommen hat, lediglich fotografiert und gefilmt. Mit der Zeit lernte sie von anderen Journalist*innen, wie ein Artikel verfasst wird. Seit 2015 ist sie Korrespondentin der Nachrichtenagentur ETHA.
Aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit befindet sich Pınar Gayıp im Visier der staatlichen Verfolgungsbehörden. Von der Repression berichtet sie:
„Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich schon festgenommen worden bin. Nach 14 Monaten im Gefängnis bin ich bereits früher einmal in den Hausarrest geschickt worden. Damals war ich sieben Monate im Hausarrest. Für den Hausarrest gibt es nur eine Begründung: Die Regierung befindet sich auf internationaler Arena im Zugzwang. Während meiner Haftzeit stand eine Justizreform an, es waren knapp 200 Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis. Durch den Hausarrest konnte der Staat die Anzahl der gefangenen Medienschaffenden reduzieren. Heute liegt dieselbe Situation vor. Wer im Hausarrest ist, zählt nicht als Gefangene. Es ist jedoch eine andere Form der Haft. Du kannst keinen Schritt nach draußen setzen und musst von anderen mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden. Als Journalistin ist es schwierig, die ganze Zeit zu Hause zu sein. Ich stehe jeden Morgen früh auf, als ob ich zu Agentur gehen würde. Ich plane meinen Tag und die gesamte Woche. Journalistinnen gehören jedoch auf die Straße, sie müssen bei Aktivitäten vor Ort sein. Dieses Recht ist mir genommen worden. Ich schreibe jedoch weiterhin Artikel und führe Interviews. Auch im Gefängnis habe ich mit dem Schreiben versucht, zu der Arbeit beizutragen. Ich will mich nicht von der Arbeit abhalten lassen.“
Polizeigewalt und Druck der männlichen Kollegen
Wie viele Journalistinnen hat Pınar nicht nur mit der staatlichen Repression zu kämpfen, sondern auch mit dem patriarchalen Blickwinkel ihrer männlichen Kollegen: „Die Angriffe auf Journalistinnen können nicht unabhängig von der Gewalt gegen Frauen in der Gesellschaft betrachtet werden. Es findet ein massiver Angriff auf Frauen und ihre Errungenschaften statt, dieser Angriff gilt auch uns. Wir erleben auch psychologische Gewalt durch männliche Kollegen, gelegentlich kommt es sogar zu physischer Gewalt. Bei Aktionen oder in Gewahrsam erfahren wir sexualisierte Gewalt durch Polizisten.
In der Vergangenheit und in der Gegenwart hat sich gezeigt, dass Frauen selbst in Zeiten, in denen sich niemand auf die Straße getraut hat, Widerstand geleistet haben. Manchmal sind nur Frauenaktionen verboten worden. Es geht um einen Angriff auf die Errungenschaften, die Frauen sich jahrelang erkämpft haben. Deshalb gehen Frauen weiter für ihr Leben und ihre Rechte auf die Straßen.“
Kein Gedenken, ein Tag des Widerstands
Pınar Gayıp wird aufgrund des Hausarrests nicht an den Aktivitäten zum 8. März teilnehmen können. Stattdessen will sie am Computer sitzen und arbeiten: „Der 8. März ist der internationale Tag der werktätigen Frauen. Es ist kein Tag des Gedenkens mehr, sondern ein Tag des Widerstands. Für eine Journalistin bedeutet das, darüber zu berichten. Ich bin seit Jahren bei Demonstrationen keine Aktivistin mehr, aber dort zu sein und die erlebte Atmosphäre zu beschreiben, macht dich zu einem Teil davon. In diesem Jahr kann ich nicht auf der Straße sein, aber ich werde am Computer jeden Moment verfolgen und darüber schreiben. Deshalb werde ich eigentlich mit dabei sein. An dieser Stelle möchte ich meine Kolleginnen und alle anderen Frauen dazu aufrufen, für ihre Rechte und ihr Leben auf die Straße zu gehen und das patriarchale Herrschaftssystem und den Faschismus zu besiegen. Ruft auch für mich eine Parole!“