Razzien und Festnahmen in Mersin und Êlih

In Mersin und Êlih kam es zu einer Serie von politischen Festnahmen. Während in Mersin mindestens neun Personen unter dem Vorwurf der „Terrorpropaganda“ festgenommen wurden, wurden neun Personen in Êlih im Rahmen des „Kobanê-Verfahrens“ festgenommen.

In den Morgenstunden stürmte die türkische Polizei mindestens zehn Wohnungen in Mersin und nahm neun Personen fest. Den Festgenommenen wird „Propaganda für eine Terrororganisation“ vorgeworfen. Dieser Paragraph wird zur Verfolgung jeglicher Regimekritik oder des Teilens kritischer Berichterstattung verwendet und reicht bis hin zum „Teilen von Berichten, die im Sinne der Terrororganisation“ seien. Bei diesen kriminalisierten Handlungen handelt es sich häufig um das Teilen von kritischen Berichten über Kriegsverbrechen, Folter oder Chemiewaffeneinsätze.

Êlih – neun Festnahmen wegen Kobanê-Verfahren

Am Donnerstag hatte die türkische Polizei in Êlih (tr. Batman) mehrere Razzien durchgeführt und neun Personen unter dem Vorwand des Kobanê-Verfahrens festgenommen. Sie befinden sich derzeit auf der Polizeidirektion von Batman.

Im Kobanê-Verfahren sind insgesamt 108 Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und der kurdischen Befreiungsbewegung angeklagt. Allein für Selahattin Demirtaş fordert die Generalstaatsanwaltschaft Ankara bis zu 15.000 utopische Jahre Haft.

Auslöser des Kobanê-Verfahrens ist ein Beitrag des HDP-Exekutivrats im Kurznachrichtendienst Twitter, der während einer Dringlichkeitssitzung verfasst worden war und neben Solidarität mit der von der Terrormiliz „Islamischer Staat” (IS) eingekesselten Stadt in Westkurdistan auch zu einem unbefristeten Protest gegen die türkische Regierung aufrief, da diese ihre Unterstützung für den IS nicht beendete: „Dringender Aufruf an unsere Völker […]! In Kobanê ist die Lage äußerst kritisch. Wir rufen unsere Völker dazu auf, auf die Straße zu gehen und diejenigen zu unterstützen, die bereits auf der Straße sind, um gegen die Angriffe des IS und gegen das Embargo der AKP-Regierung zu protestieren.”

Im Zuge dessen kam es in vielen Städten zu Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften sowie paramilitärischen Verbänden wie Dorfschützern und Anhängern der radikalislamistischen türkisch-kurdischen Hisbollah (Hizbullah) und den Demonstrierenden. Die Zahl der dabei getöteten Menschen, bei denen es sich größtenteils um Teilnehmende des Aufstands handelte, schwankt zwischen 46 (IHD) und 53. Die Regierung spricht lediglich von 37 Toten. Viele von ihnen wurden durch Schüsse der Sicherheitskräfte getötet. Laut einem Bericht des Menschenrechtsvereins IHD wurden 682 Menschen bei den Protesten verletzt. Mindestens 323 Personen wurden verhaftet. Im Verlauf des Aufstands kam es zudem zu Brandanschlägen auf Geschäfte sowie öffentliche Einrichtungen. Die Regierung macht die HDP für die Vorfälle verantwortlich.