Rassismus-Pandemie in Deutschland
Rassisten und Rechtsextreme nutzen die Stimmung aufgrund der Corona-Pandemie zu Hass- und Hetzkampagnen im Netz. Experten warnen vor Anschlägen.
Rassisten und Rechtsextreme nutzen die Stimmung aufgrund der Corona-Pandemie zu Hass- und Hetzkampagnen im Netz. Experten warnen vor Anschlägen.
Angesichts der Corona-Krise herrscht in der Gesellschaft eine angespannte Stimmung. Nazis und Rassisten versuchen diese Stimmung durch Hasskampagnen im Netz in ihrem Interesse zu instrumentalisieren. Das Nachrichtenmagazin „Report Mainz“ berichtet von einem Anstieg der Hassbotschaften im Netz. So heißt es in aktuellen Kommentaren auf Facebook über Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Todesstrafe“, „Hinrichten“, „Die Merkel endlich aufhängen, bevor sie noch mehr anrichtet“, „Ich hoffe, sie verreckt gaaaanz langsam“. Mit den Bemerkungen wurde auf Merkels angebliche Grenzöffnung 2015 für Schutzsuchende angespielt - eine Legende, mit der Rassisten seither zu mobilisieren versuchen.
Als bekannt wurde, dass die Bundeskanzlerin nicht infiziert ist, wurde das zum Beispiel wie folgt kommentiert: „Sehr schade, dachte sie verreckt endlich." Diese Kommentare stammen aus geschlossenen Gruppen, von denen manche 20.000, andere sogar 30.000 Mitglieder haben. „Wir haben nicht nur eine Corona-Pandemie, wir haben auch eine 'Hass'- oder 'Rassismus-Pandemie' in Deutschland“, so der Rechtsextremismusexperte Matthias Quent im Interview mit dem ARD-Politikmagazin „Report Mainz". Prof. Hans-Gerd Jaschke von der Hochschule für Wirtschaft und Recht meint, das habe mit politischer Auseinandersetzung überhaupt nichts mehr zu tun: „Das ist strafbar und müsste natürlich von den Strafverfolgungsbehörden aufgegriffen werden."
Facebook-Recherche: Beispiellose Hasskampagne
In Zusammenarbeit mit der Facebook-Gruppe „DieInsider“ hat „Report Mainz“ diese massive und bisher beispiellose Hass- und Hetzkampagne zwei Wochen lang intensiv recherchiert. „DieInsider“ ist eine kleine Gruppe von Menschen, die ehrenamtlich Hass-Kriminalität auf Facebook dokumentiert. In ihrer Freizeit sind die Aktivisten in rund zweihundert Gruppen unterwegs, darunter viele geschlossene. In einem weiteren Kommentar über die Kanzlerin heißt es: „Vor Merkels 'Wir schaffen das!' muss man sich inzwischen mehr fürchten, als vor Goebbels Frage nach dem 'totalen Krieg'!“ Matthias Quent bezeichnet das als „Verherrlichung des Nationalsozialismus“.
Auch andere Spitzenpolitiker befinden sich im Fadenkreuz der Hasskriminalität. Über den erkrankten Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) ist aktuell zu lesen: „Die beste Nachricht des Tages. Ich bin so glücklich, dass es endlich den Richtigen erwischt hat. Hoffentlich stirbt er.“
Rassismus wird unter „Corona“-Vorwand ausgelebt
Auch erste Übergriffe wurden von der Polizei registriert. So wurde beispielsweise in München eine asiatisch aussehende Frau von ihrem Wohnungsnachbarn mit dem Ruf „Corona“ bedroht und mit Desinfektionsspray angegriffen. In einem kleinen Dorf im Landkreis Rosenheim wurde das dortige italienische Restaurant mit der Parole „Corona“ beschmiert. In Bielefeld finden die Bewohner einer Straße, in der viele Migranten leben, rechtsradikale Flugblätter in ihren Briefkästen mit der Aufschrift: „Asylanten und Flüchtlinge und Migranten und Muslime und Nigger - in den Ofen!"
„Gefahr von Anschlägen relativ groß“
Vor dem Hintergrund dieser Recherchen spricht Prof. Jaschke von einem massiven Mobilisierungsversuch auch der gewaltbereiten rechtsextremen Szene: „Von daher ist die Gefahr, dass es zu militanten Anschlägen kommen wird, meines Erachtens relativ groß.“