Genau jetzt heißt es: Solidarisch sein!

Die kurdischen Studierenden erklären zur Ausweitung des Coranavirus, dass die Menschheit sich nicht in der Lage sieht, aus bisherigen Katastrophen zu lernen und Strategien für ein kollektives Überleben und ein solidarisches Miteinander zu erarbeiten.

Zu der anhaltenden weltweiten Ausbreitung des Coronavirus COVID-19 haben die Studierenden Frauen aus Kurdistan, JXK, sowie der Verband der Studierenden aus Kurdistan, YXK, eine Erklärung abgegeben. „Tausende Menschen befinden sich derzeit in Quarantäne und auch das Tempo der Verbreitung überragt bisherige gesellschaftliche Vorstellungen. Doch was für uns langfristig nun tödlicher erscheint als das Virus selbst, ist der gesellschaftliche Umgang mit der gegenwärtigen Situation”, so die Studierenden, die fordern: „Geht empathisch miteinander um, denkt immer an die Schwächsten in der Gesellschaft und helft euren Nachbar*innen und weiteren Bedürftigen in der Nähe. Bietet Kapital und Konkurrenzkampf die Stirn und gebt zu verstehen: Zusammen sind wir stärker und zusammen stehen wir das durch.” In der Erklärung der Studierenden heißt es weiter:

Solidarität oder Kampf?  Der soziale Tod in Zeiten von Krieg und Corona

Das herrschende kapitalistische System zeigt sich derzeit von seiner wahren und hässlichsten Seite: Seit dem Ausbruch des Corona-Virus (COVID-19), das sich weltweit rasant verbreitet und besonders Immunschwache und Menschen der höheren Altersgruppe betrifft, hat sich eine Welle der geballten Panik und Fassungslosigkeit breit gemacht. Staaten fällen Entscheidungen im Alleingang, schotten sich ab, ohne Rücksicht auf die Nachbarländer. COVID-19 hat sich weltweit einen Namen gemacht. Und die Angst um Ansteckung und Verbreitung ist begründet: etwa 6.000 Menschen sind (Stand: Mitte März) dem Virus bereits erlegen, insgesamt liegt die Zahl der Infizierten bei etwa 150.000 Menschen weltweit (unbekannte Dunkelziffer). Tausende Menschen befinden sich derzeit in Quarantäne und auch das Tempo der Verbreitung überragt bisherige gesellschaftliche Vorstellungen.

Doch was für uns langfristig nun tödlicher erscheint als das Virus selbst, ist der gesellschaftliche Umgang mit der gegenwärtigen Situation. Die Szenen sind schockierend, sie sind aufwühlend und banal:

Menschen, die in Supermärkten um Toilettenpapier, Mehl und Milch ringen, sich beleidigen und dabei gewalttätig werden. Seit Tagen verbreiten sich Szenen aus aller Welt auf Social Media und verbreiten Panik, schüren Konkurrenzkämpfe und schockieren. 

Ein weiteres Phänomen: der weltweite Ansturm auf Schutzmasken, Desinfektionsmittel und weitere Bakterien-und Viren-hemmende Substanzen. Dass nun auf dem halben Globus fast alle Regale mit Desinfektionsmittel seit Wochen leer stehen und Preise aufgrund der hohen Anfrage in die Höhe schießen, schockiert weltweit. Zudem treibt es der menschliche Egoismus so weit, dass Desinfektionsmittelvorräte aus Krankenhäusern geklaut werden, Behälter in öffentlichen Einrichtungen für den Eigennutz abmontiert werden und damit der Zugang für Kranke und Bedürftige unmöglich gemacht wird. 

Eine weitere Todeswaffe schleppt das Virus ebenfalls ein: zunehmenden Rassismus und die Instrumentalisierung eines Infektes, um Hetze gegen eine Bevölkerungsgruppe zu betreiben. Noch vor wenigen Tagen attackierte ein 45-Jähriger in München eine Münchnerin mit chinesischen Wurzeln mit Desinfektionsmittel und schrie dabei mehrmals das Wort „Corona" und drohte zusätzlich damit, ihr den Kopf abzuschneiden. 

Und Social-Media-Auswertungen zeigen: Rassismus macht sich derzeit besonders in Form von Sarkasmus und gewollter aber nicht gekonnter Ironie breit und versucht, Asiat*innen zu stigmatisieren und auszugrenzen. Dabei sollte sich die deutsche Bevölkerung erinnern, dass vor wenigen Wochen 9 junge Menschen in Hanau von einem Rechten ermordet wurden. Die Panik, die man nun unter der deutschen Bevölkerung sieht, war vor wenigen Wochen nicht zu erkennen, als gesellschaftlich betriebene rassistische Hetze sich in Form von Mord entlud und Menschen aus dem Leben riss. 

Eine kurze Gesellschaftsanalyse zeigt uns: 

Im modernen Zeitalter des Kapitalismus lebt der Mensch immer isolierter von der Gesellschaft, pflegt ein aggressives Konkurrenzdenken und legt Eigenschaften wie Empathie, Nächstenliebe und Gerechtigkeit sowie Gleichheit ab. Kapitalismus verstumpft, erzieht den Menschen zu einer gefühlskalten und machtbesessenen Kreatur und fördert Habgier, Krieg, Ausbeutung, Faschismus sowie Sexismus. 

Es kommt nicht in Frage, Leid gegen Leid aufzuspielen, sondern das gegenwärtig inakzeptable, abstoßende Verhalten unserer Menschheit und die Psyche hinter den aktuellen Geschehen zu durchleuchten: 

Wie bewerten wir die Tatsache, dass die Menschheit erst auf >>Tod<< reagiert, wenn man in seiner eigenen Person betroffen ist? Sehen wir anhand dessen bereits, in welch einer unsolidarischen und egozentrischen Gesellschaft wir leben? Ressourcen im Übermaß zu erwerben, diese zu bunkern und damit für andere Not-bedürftige Menschen unmöglich zu machen, sich ebenfalls an diesen zu bedienen, sowie jede Form von menschlich verursachtem Leid auf der Welt wie Krieg krampfhaft zu ignorieren, unterstreicht das kapitalistische Denken in all seiner Hässlichkeit und Brutalität.  

Warum schreien wir auf und ummanteln uns mit jeder möglichen Vorsichtsmaßnahme, wenn Menschen durch Krankheiten sterben aber nicht dann, wenn Menschen Menschen töten? 

Weiterhin fördern europäische Staatskassen und Politiker*innen den Ausbau von Militarismus, fördern weltweit die Waffenindustrie, betreiben rassistische Hetze im Parlament, bieten finanzielle, politische, wirtschaftliche und soziale Hilfe für Kriege, entvölkern gesamte Regionen, morden und beuten Hand in Hand mit Kriegsverbrecher*innen. 

Dass sich derzeit außerdem immer noch Tausende Menschen, die zur politischen Verhandlungsmasse gemacht wurden, an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei befinden, während Einwohner*innen die Ankunft von Booten blockieren, Rechte anreisen, um Geflüchtete zu jagen und die Küstenwache bewusst wegschaut, während Menschen ertrinken, scheint erneut von den Titelblättern verschwunden zu sein. 

Auch bleibt zu Zeiten von Pandemien außen hervor, mit welcher rücksichtslosen und egoistischen Mentalität der Mensch den Planeten an den Rand des Abgrundes geführt hat und „Klimakrise“ und „Klimaschutz“ zu gesellschaftlichen Fremdwörtern mutieren, während aus menschlicher Ignoranz heraus Natur, Leben und Zukunft ausgelöscht werden. 

Der Aufregung und massiv Panik erregende Verlauf der derzeitigen Pandemie ist zudem auch einer weiteren Waffe des modernen Kapitalismus zu verdanken: Medien. 

Tausende Falschmeldungen machen sich  im Sekundentakt breit, zahlreiche unbegründete Theorien und nun auch clever durchdachte Verkaufsstrategien schmücken derzeit nach dem Motto „zahlen oder sterben“ TV, Zeitung, Social Media, Werbung und Radios. Und diese beschämende Schiene wird gefahren, obwohl bereits Tausende Menschen dem Virus erlagen.

Es wird eine Massenpsychologie erzeugt, die den Menschen in Todesangst versetzt, Isolation fördert und zum massiven Konsumieren verleitet. Was ist das Resultat dieser speziellen Kriegsführung? Der psychische Zusammenbruch und die völlige Entmenschlichung einer Gesellschaft durch professionelle Beeinflussung. 

Und wir können betrachten: Die Menschheit sieht sich nicht dazu in der Lage, aus bisherigen Katastrophen zu lernen und Strategien für ein kollektives Überleben und ein solidarisches und demokratisches Miteinander zu erarbeiten. Denn wir lassen uns hemmen. Und der Haupt-Hemmer schreit seinen Namen: Kapitalismus.

Doch gilt besonders nun zu unterstreichen:

Der Virus macht keinen Unterschied zwischen den Menschen, der Kapitalismus allerdings sehr wohl. Während Superreiche bereits private Notaufnahmen errichten lassen und sich mit ihrem materiellen Überfluss einmauern, wird die arbeitende Masse der Gesellschaft mit ihren Nöten alleine gelassen. Nicht nur sorgt beispielsweise die Überlastung maroder Gesundheitssysteme für Mangel an Versorgung, sie zwingt die bereits in prekären Verhältnissen Arbeitenden zu unmenschlichem Einsatz mit der Flut an Patient*innen zurecht zu kommen. Bei diesem Spektakel schaut die westliche Pharmaindustrie ihrerseits lauthals lachend zu, wie ihre Förderungstöpfe im Angesichts der Krise aufgefüllt werden, während kubanische Forscher*innen, deren Gesundheitssektor nicht auf Profitmaximierung ausgelegt ist, bereits in Ländern wie China erste Heilungsverfahren anwenden. 

Es sind wie immer die Arbeiter*innen, die im Kapitalismus die Hauptlast tragen. Zusätzlich zu dieser Last müssen sich in diesen Tagen zigtausende Eltern um ihre Kinder kümmern, deren Schulen und Kindergärten geschlossen wurden, denn der Staat diskutiert lieber über Finanzhilfen für Unternehmen, anstatt für Verdienstausfall. 

Der Umgang mit der Krise zeichnet das Bild einer von sich selbst entfremdeten Gesellschaft, besonders im internationalen Vergleich. Schauen wir uns in Ländern um, in denen es noch Reste von Gesellschaftlichkeit gibt, werden wir Zeug*innen davon, wie es aussehen kann, wenn alle an einem Strang ziehen. 

Besonders im angeblich rückständigen globalen Süden werden zügig und unbürokratisch Maßnahmen erlassen und von der Bevölkerung umgesetzt, während man in Deutschland das Denken und Handeln lieber Regierungskreisen überlässt, die weder im Interesse des Allgemeinwohls handeln, noch im Stande sind, zügig Entscheidungen zu treffen, ohne mit Blick auf die nächsten Wahlen nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner suchen. 

Dabei könnte der Umgang mit der Krise so einfach sein. Das Zauberwort heißt „Solidarität“. Aus gegebenem Anlass möchten wir außerdem einen Blick in die Zukunft werfen:

Es ist jetzt schon absehbar, dass die Grenzen in Schengenraum nicht so leicht geöffnet werden, auch nachdem die Ursachen für die Schließung weitgehend ausgeräumt sind. Aus der Vergangenheit kennen wir zu gut, dass einmal geschlossene Grenzen erst mal auch geschlossen bleiben. Ein Ende der europäischen Freizügigkeit, ein Sieg für die Nationalisten.

Die jetzige Situation gibt uns viel zu Denken und demnach ist es wichtig sich zu fragen, wie eine Gesellschaft, die wie aktuell sichtbar eine massive ein-Kopf-Konsumpolitik vorantreibt, handeln würde, wenn nicht nur außerhalb des Augenwinkels, sondern weltweit Krieg ausbrechen würde.

Eine weitere Frage, die das Überlegen wert ist, wäre: Welchen Umfang nimmt die derzeitige Ausnahmesituation an, wenn die Verbreitung das Endstadium erreicht hat? Sind Hausplünderungen, Totschlag und weitere vorsätzliche Schäden am Nächsten und vollständige Isolation nicht schon vorhersehbar? In welche weitere Krise möchten wir uns als Menschheit stürzen lassen? Wie stark möchten wir uns weiterhin beeinflussen, gegeneinander aufhetzen und isolieren lassen? 

Sehen wir uns nicht dazu bereit, dem staatlich aufgedrückten Konkurrenzkampf und der menschlichen Ausbeutung zu widerstehen? Genau jetzt heißt es: Solidarisch sein! Denn in jeder Krise gewinnt die Solidarität! 

Geben wir nicht erst zu Krankheitszeiten zu spüren, dass wir eine Gesellschaft bilden und alle betroffen sind. Sehen wir ein: So wie wir alle Coronagefährdet sind, so sind wir ebenfalls alle von Krieg auf der Welt und Leid unseres Nächsten betroffen.

Die derzeitige Lage erfordert zudem, unser politisches Bemühen nicht einschränken zu lassen und das soziale Leben weiterhin zu pflegen. Geht empathisch miteinander um, denkt immer an die Schwächsten in der Gesellschaft und helft euren Nachbar*innen und weiteren Bedürftigen in der Nähe. Bietet Kapital und Konkurrenzkampf die Stirn und gebt zu verstehen: Zusammen sind wir stärker und zusammen stehen wir das durch.

Wir wünschen allen Erkrankten gute und schnelle Genesung. Familien und den Angehörigen der Opfer sprechen wir unser herzliches Beileid aus.