Proteste gegen Zwangsverwaltung von Istanbul bis Colemêrg

Der Widerstand gegen die Zwangsverwaltung nach dem Kommunalputsch von Colemêrg gehen in Nordkurdistan und der Türkei weiter. Unter anderem in Istanbul, Adana, Wan und Colemêrg fanden Proteste statt, Jurist:innen reichten eine Klage ein.

„Kein Fußbreit der Zwangsverwaltung“

Die Proteste gegen den Kommunalputsch von Colemêrg sind kein Strohfeuer und lassen sich nicht vom Regime nicht aussitzen. Das zeigen die vielen Aktionen in Nordkurdistan und der Türkei. Auch gestern kamen wieder Menschen unter anderem in Adana, Istanbul, Wan (tr. Van) und Colemêrg (Hakkari) zum Protest zusammen. Täglich finden Mahnwachen statt. Gleichzeitig starten Jurist:innen Initiativen gegen den Kommunalputsch.

Wan: Jurist:innen klagen gegen Kommunalputsch

Die Juristenvereinigung ÖHD und die Rechts- und Menschenrechtekommission der DEM-Partei haben beim Verwaltungsgericht Van die Aufhebung der Absetzung des Ko-Bürgermeisters von Colemêrg, Mehmet Sıddık Akış, beantragt. Anschließend gaben die Verbände eine gemeinsame Erklärung vor dem Verwaltungsgericht ab. Die Erklärung vor dem Verwaltungsgericht entwickelte sich schnell zu einer Kundgebung. Viele Menschen, unter ihnen Jurist:innen, Abgeordnete und Vertreter:innen der Anwaltskammern von Colemêrg und Wan, nahmen an dem Protest teil.

Ekin Yeter, Vorsitzende des ÖHD, erklärte zu dem Verfahren: „Wir haben sowohl eine allgemeine Klage als auch eine Verwaltungsklage eingereicht. In der Klage haben wir festgestellt, dass die Absetzung des Ko-Bürgermeisters und die Einsetzung des Zwangsverwalters gegen die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung, die türkische Verfassung, die internationalen Konventionen, an die die Türkei gebunden ist, und den Grundsatz der Dezentralisierung verstößt. Im Sinne des Gesellschaftsvertrags bedeutet die Praxis der Zwangsverwaltung nichts anderes als Usurpation, Verleugnung und Ausbeutung aller unterdrückten Völker in der Türkei, insbesondere des kurdischen Volkes. Diese Praxis beinhaltet die Zerstörung der Umwelt, die Schließung von Fraueneinrichtungen, die Entlassung von Hunderten Arbeitnehmenden und die Verweigerung von Dienstleistungen für die Bevölkerung. Aus diesem Grund hat sie in den Augen des Volkes keine Legitimität.“

Istanbul: „Dieser Widerstand kann nicht gebrochen werden“

In Istanbul findet seit 24 Tagen eine Dauermahnwache am Şişhane Meydanı statt. Gestern nahm unter anderem die gewählte, aber nicht amtierende Ko-Bürgermeisterin von Colemêrg, Viyan Tekçe (DEM-Partei), teil. Auf der Kundgebung erklärte Tekçe: „Das Regime wird nicht in der Lage sein, diesen Kampf, diese Entschlossenheit und diese Einheit zu brechen, und es wird nicht in der Lage sein, uns einzuschüchtern. Wir akzeptieren die putschistische Zwangsverwaltermentalität nicht. Diese Entscheidung ist für uns null und nichtig, denn die Kommunen gehören den Gewählten, nicht den Ernannten. Wir sind gewählte Ko-Bürgermeister:innen. Keine Macht und kein Beschluss kann diese Haltung ändern. Dadurch, dass ich nicht ins Amt eingesetzt wurde, ist den Frauen das aktive und passive Wahlrecht genommen worden. Wir werden nicht aufgeben und sie werden uns nicht zum Schweigen bringen können."

Kundgebung in Adana

Trotz täglicher Repressalien kamen auch am Montag in Adana wieder Menschen zusammen, als ein in Istanbul gestarteter Protestmarsch gegen die Zwangsverwaltung in Adana ankam. Die Teilnehmer:innen des Marsches wurden von vielen Menschen im Inönü-Park, wo die tägliche Mahnwache gegen Zwangsverwaltung stattfindet, begrüßt. Auch gestern versuchte die Polizei durch Provokationen, den Protest zu unterbinden.

Ceylan Akça Cupolo, Abgeordnete der DEM-Partei aus Amed, sagte, dass sie für das aktive und passive Wahlrecht auf der Straße seien, und forderte „eine gleichberechtigte, freie und demokratische Republik für alle.“ Sie verurteilte die Inhaftierung und die drakonische Strafe gegen den Ko-Bürgermeister von Colemêrg: „Mehmet Sıdık Akış wurde zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt, nur weil er Politik machte. Aber diejenigen, die Femizide begehen und Revolutionäre auf der Straße ermorden, laufen frei herum. Wir verurteilen diese Mentalität. Wir lehnen dieses koloniale Regime ab.“

Im Anschluss begann die Menschenmenge mit einer Demonstration zum Provinzverbandsgebäude der DEM-Partei. Die Polizei drohte, dass sie angreifen werde, falls Parolen gerufen würden. Die Menschen ließen sich nicht einschüchtern und die Polizei setzte ihre Drohung um. Bei dem Polizeiangriff wurden viele Menschen, unter ihnen Journalist:innen, misshandelt.

Mahnwache in Colemêrg wird von neuer Gruppe übernommen

In Colemêrg selbst findet eine Dauermahnwache statt. Nach einer Woche übernimmt die vierte Delegation, eine Gruppe aus der Provinz Wan, den Protest. So soll die Verbindung des Widerstands von Colemêrg mit dem Protest in ganz Nordkurdistan und der Türkei deutlich gemacht werden. Viele Menschen besuchen die Mahnwache, die vom Morgen bis in die tiefe Nacht andauert und von Transparenten und Plakaten mit Aufschriften wie „Weder Zwangsverwaltung noch Isolation, Freiheit für das kurdische Volk“ oder „Kein Fußbreit der Zwangsverwaltung“ begleitet wird.