Ko-Bürgermeister verhaftet
Das von der DEM-Partei regierte Rathaus von Colemêrg (tr. Hakkari) ist am 3. Juni, zwei Monate nach den Kommunalwahlen in der Türkei, vom Staat usurpiert worden. Der vom türkischen Innenminister abgesetzte Ko-Bürgermeister Mehmet Sıddık Akış wurde am Mittwoch in einem seit zehn Jahren andauernden Terrorprozess zu fast zwanzig Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und verhaftet.
Während das Rathaus von Colemêrg weiterhin von Polizei und Militär belagert wird, haben sich die in den Stadtrat gewählten DEM-Politiker:innen mit Parlamentsabgeordneten in ihrer Parteizentrale getroffen und über ihr weiteres Vorgehen beraten. Auf der Sitzung wurde einstimmig entschieden, dass Viyan Tekçe die Vertretung des verhafteten Bürgermeisters übernehmen soll.
Viyan Tekçe ist im März zusammen mit Mehmet Sıddık Akış zur Ko-Bürgermeisterin gewählt worden. Die DEM ist bei den Wahlen überall mit Ko-Kandidat:innen angetreten, das Prinzip der genderparitätischen Doppelspitze gilt in allem Parteigremien. Da der Staat dieses Prinzip nicht anerkennt und sogar kriminalisiert, ist offiziell nur eine Person Bürgermeister oder Bürgermeisterin. In der Praxis arbeiten die gewählten DEM-Duos zusammen.
Der DEM-Abgeordnete Vezir Coşkun Parlak erklärte nach der Sitzung, dass die Menschen in Colemêrg ihren Willen am 31. März deutlich bekundet haben. Das Wahlergebnis sei trotz staatlicher Repression und Bestechungsversuchen eindeutig gewesen. Mit der Ernennung des Provinzgouverneurs zum Zwangsverwalter habe sich der bereits 2019 praktizierte ungesetzliche Vorgang wiederholt. „In Hakkari gelten keine Gesetze, das Rechtssystem gilt nicht für Kurdinnen und Kurden“, sagte Parlak. „Damit wird die Hoffnung auf eine Demokratisierung der Türkei zunichte gemacht. Die Forderung des Volkes ist eindeutig. Die Menschen wollen Demokratie und eine unabhängige Justiz. Sie wollen eine Türkei, in der Kurden, Türken und alle weiteren ethnischen und religiösen Gruppen frei zusammen leben.“