Protest für Ecevit Piroğlu vor der serbischen Botschaft

In Berlin ist vor der Botschaft Serbiens Freiheit für Ecevit Piroğlu eingefordert worden. Der kurdische Internationalist wird rechtswidrig und willkürlich in serbischer Haft gehalten, es droht eine Auslieferung an die Türkei.

Politische Geiselhaft

Vor der serbischen Botschaft in Berlin ist Freiheit für Ecevit Piroğlu eingefordert worden. Zu der Kundgebung am Montag hatte die Plattform der Stimme der Gefangenen (TSP) aufgerufen. Die anhaltende Inhaftierung des kurdischen Internationalisten aus der Türkei sei rechtswidrig und willkürlich und das Ergebnis von „schmutzigen Verhandlungen“ zwischen den Regierungen in Ankara und Belgrad, erklärte ein Aktivist der Plattform. „Er muss sofort freikommen.”

Ecevit Piroğlu wurde im Juni 2021 aufgrund eines Auslieferungsersuchens der türkischen Behörden erstmalig festgenommen. Das Auslieferungsverfahren wurde schließlich im Mai 2023 eingestellt, nachdem das Berufungsgericht in Belgrad entschieden hatte, dass er nicht an die Türkei ausgeliefert werden darf. Nachdem er zwischenzeitlich freikam, wurde Piroğlu im Januar dieses Jahres erneut festgenommen. Er wird momentan – trotz der Ablehnung des türkischen Auslieferungsersuchens – in einem Abschiebezentrum in Padinska Skela festgehalten. Grundlage hierfür ist eine Anordnung des serbischen Innenministeriums zum sofortigen Verlassen des Landes. Seine Haft stellt jedoch einen Verstoß gegen die Richtlinien des UN-Ausschusses gegen Folter, serbisches Recht und frühere Gerichtsurteile dar.

Einen Antrag Piroğlus auf freiwillige Ausreise ignoriert die serbische Justiz trotzdem. Laut der TSP bestehe die begründete Befürchtung, dass er noch immer von der Abschiebung in die Türkei bedroht ist oder dass seine Inhaftierung auf unbestimmte Zeit andauern könnte. Sorge äußerte die Plattform, die bei der Kundgebung vor der serbischen Botschaft von Mitgliedern des kurdischen Vereins Nav-Berlin, der Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa (ATIF) und Young Struggle unterstützt wurde, auch hinsichtlich der gesundheitlichen Verfassung Piroğlus.


Ecevit Piroğlu trat während des Auslieferungsverfahrens im Juni 2022 in einen Hungerstreik und verlor innerhalb von 136 Tagen dreißig Kilogramm Gewicht. Nach der endgültigen Aussetzung des Auslieferungsverfahrens durch den Obersten Gerichtshof beendete er den Widerstand. Am 12. Februar nahm er diesen Protest wieder auf. „Ecevit Piroğlu ist sehr schwach. Seit er wieder im Hungerstreik ist, hat sich sein ohnehin schlechter Zustand nochmal massiv nach unten bewegt. Dennoch erhält er keine angemessene medizinische Versorgung. Wir fürchten um das Leben unseres Freundes und fordern den Staat Serbien auf, Recht und Gesetz zu achten und Ecevit umgehend freizulassen“, so der Plattform-Sprecher.

Wer ist Ecevit Piroğlu?

Ecevit Piroğlu wurde 1974 in der zentralanatolischen Stadt Kırşehir geboren, ursprünglich stammt er aus der alevitisch-kurdisch geprägten Provinz Ezirgan (tr. Erzincan). Politisiert in der Studierendenbewegung der 90er, war er später für einige Zeit Vorstandsmitglied des international bekannten Menschenrechtsvereins IHD, der seit Jahrzehnten Folterungen in Haft, Polizeigewalt auf Demonstrationen und das „Verschwindenlassen“ linker und kurdischstämmiger Menschen in der Türkei anprangert. Aufgrund seines politischen Wirkens war Piroğlu mehrfach im Gefängnis.

Als aktiver Teilnehmer am Gezi-Aufstand 2013 und Geschäftsführer der Sozialistischen Demokratie-Partei (SDP) wurde er von der Regierung verstärkt ins Visier genommen. Im Juni 2013 fand eine staatliche „Racheoperation“ gegen die SDP aufgrund ihres federführenden Einsatzes bei Gezi statt, die Zentrale in Istanbul wurde von paramilitärischen Spezialeinheiten der Polizei überfallen. Piroğlu befand sich unter den 74 Personen, die damals brutal festgenommen wurden. Viele der damaligen Betroffenen wurden später im sogenannten „Revolutionäres Hauptquartier“-Verfahren („Devrimci Karargah”) zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

In Rojava gegen den IS gekämpft

Angesichts der Verhaftungen und massiven Verfolgung ihrer Führungskräfte war die SDP 2015 gezwungen, sich aufzulösen. Noch im selben Jahr entschied Piroğlu die Türkei zu verlassen, um einer jahrzehntelangen Gefängnisstrafe zu entgehen. Er ging nach Rojava und schloss sich dem Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) an. Im Juni 2021 reiste er nach Serbien, um politisches Asyl zu beantragen, und wurde noch am Belgrader Flughafen verhaftet. Grund dafür ist das Interpol-System, das die Türkei systematisch als Instrument zur Bestrafung ihrer politischen Gegner im Ausland missbraucht. Ankara führt Piroğlu in seiner „Roten Liste“ der meistgesuchten „Terroristen“, auf ihn wurde ein Kopfgeld von zehn Millionen TL ausgesetzt. Ihm drohen mindestens dreißig Jahre Gefängnis.