Politikwechsel gegenüber Kurdistan und Afghanistan gefordert

Auf der Diskussionsveranstaltung „Desaster in Afghanistan – Krieg in Kurdistan – die Verantwortung Deutschlands“ in Hannover ist ein dringender Politikwechsel der deutschen Bundesregierung gefordert worden.

Am Montag hat in den ver.di-Höfen in Hannover eine Diskussionsveranstaltung von NAV-DEM Hannover und DIE LINKE zur Situation in Kurdistan und Afghanistan sowie der Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für die dortigen Kriege stattgefunden.

Unter dem Titel „Desaster in Afghanistan – Krieg in Kurdistan – die Verantwortung Deutschlands“ wollten die Veranstalter:innen anlässlich des Antikriegstags zwei Konflikte thematisieren, die in Deutschland entweder komplett verschwiegen oder von den Regierenden derart verzerrt dargestellt werden, dass keinerlei politische Verantwortung von ihnen übernommen wird. An beiden Kriegen ist die Bundesrepublik direkt beteiligt. Beide Kriege richten sich im Ergebnis gegen die Gesellschaften vor Ort, schaffen neue Fluchtursachen und bringen den betroffenen Regionen Armut und menschliches Leid.

 

Als erster Redner erläuterte Hugo Peckes von der Initiative Demokratischer Konföderalismus (IDK) die Hintergründe des jüngsten Feldzugs des AKP/MHP-Regimes in Südkurdistan/Nordirak und ordnete den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in die regionale Entwicklung ein. Er erklärte, wie die anhaltenden Angriffe auf Rojava/Nordsyrien und der seit April anhaltende Angriff auf Südkurdistan das Ziel haben, die kurdisch besiedelten Regionen zu entvölkern und die Freiheitsbewegung Kurdistans militärisch zu schlagen. Gegen Ende seines Inputs berichtete Peckes von der Friedensdelegation, die sich im Juni auf den Weg nach Südkurdistan gemacht hatte, um mit allen demokratischen Kräften Gespräche zu führen und einen Beitrag zur Beilegung des bewaffneten Konflikts zu leisten.

Anschließend stellte sich der Bundestagskandidat der Partei DIE LINKE, Mizgin Çiftçi, als Sohn ezidischer Kurd:innen, der in Deutschland aufgewachsen ist, vor. Er habe es als Jugendlicher nicht ertragen können, wie seine eine Heimat, Kurdistan, im Krieg zerstört und Menschen zur Flucht gezwungen würden, während seine andere Heimat, Deutschland, an diesem Krieg auf Seiten der Türkei teilnehme und mitschuldig am Fortbestehen des Konflikts sei. Das habe ihn motiviert, politisch aktiv zu werden und Mitglied in der Partei DIE LINKE zu werden.

Er sprach sich deutlich für einen Politikwechsel in der Bundesrepublik aus, gegen Waffenlieferungen, gegen jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr, gegen die Kriminalisierung der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) sowie für sichere Fluchtrouten aus Afghanistan nach Europa.

„Desaster in Afghanistan – Krieg in Kurdistan – die Verantwortung Deutschlands“ in Hannover

Über die Arbeit seiner Organisation zu Afghanistan in den letzten Wochen berichtete der Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsen, Kai Weber. In der aktuellen Situation sei es schlicht unmöglich, vor Ort in Afghanistan Fluchtwege zu eröffnen. Seit die Evakuierungsflüge eingestellt wurden und Auswärtiges Amt sowie NGOs das Land verlassen haben, wäre eine Unterstützung der Flüchtenden kaum noch möglich. Dazu fehle schlichtweg der politische Wille der Bundesregierung. Denn auch Geflüchtete in den Anrainerstaaten oder auf den Routen nach Europa würden bewusst mit unerfüllbaren bürokratischen Ansprüchen, aber auch Mauern wie an der Grenze zwischen Türkei und Iran an der Flucht gehindert. In einer späteren Wortmeldung führte Weber nochmal vor Augen, dass das Desaster in Afghanistan seit 40 Jahren besteht und die aktuelle Situation trotz besseren Wissens herbeigeführt wurde.

Shafigha Hassan und Shakila Navazy vom Afghanischen Frauennetz Hannover schilderten eindrucksvoll von der Verzweiflung der Menschen in Afghanistan, von der Hoffnungslosigkeit, die um sich greife. Sie stehen mit vielen Menschen im Land, auf der Flucht und in der Diaspora in Kontakt und würden überall an den Systemen der Ausländerbehörden, des Auswärtigen Amts und der Militärs Ablehnung erfahren.

Sie sprachen deutlich aus, worin sich die Anwesenden einig waren: die westlichen Staaten haben Afghanistan zerstört und lassen die Menschen ohnmächtig und schutzlos zurück, sodass sie den Taliban ausgeliefert sind. Die aktuelle Lage ist Ergebnis der über Jahrzehnte anhaltenden Militärinterventionen, die afghanische Gesellschaft Opfer dieser Politik.

In der anschließenden Diskussion herrschte große Einigkeit, dass die Bundesrepublik seit Jahren eine grundsätzlich falsche Politik gegenüber des Kurdistan-Konflikts und des Afghanistan-Kriegs verfolge. Bei der Diskussion der Frage „Was tun?“ wurde deutlich, dass jegliche kurzfristige und noch so kleine Unterstützung der Gesellschaften vor Ort und der Menschen auf der Flucht und im Exil wichtig sei. So unterschiedlich die gesellschaftlichen Kräfte in Kurdistan und Afghanistan auch aufgestellt seien, bräuchte es aber langfristige und umfassende gesellschaftliche und politische Veränderungen, in den Ländern selbst, aber auch in Deutschland, damit die Bundesrepublik nicht länger Kriegstreiberin bleibt.