Am 9. Januar 2013 ist die PKK-Mitbegründerin Sakine Cansız (Sara) zusammen mit der Pariser KNK-Vertreterin Fidan Doğan (Rojbîn) und der Jugendaktivistin Leyla Şaylemez (Ronahî) im Herzen von Paris durch den türkischen Geheimdienst MIT ermordet worden. Aus Anlass des neunten Jahrestages des Dreifachmords hat das Exekutivkomitee der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eine Erklärung abgegeben:
„Neun Jahre sind vergangen, seit unsere Weggefährtinnen Sakine Cansız (Sara), Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) in Paris ermordet worden sind. Wir gedenken unseren revolutionären Freundinnen voller Respekt und Dankbarkeit und bekräftigen unser Versprechen, ihr Ziel nach einem freien Kurdistan auf der Linie der Frauenbefreiung zu schaffen.
Dieses Massaker ist vom türkischen Kolonialstaat verübt worden. Der Attentäter Ömer Güney war ein Agent des MIT. Die Anordnung für das Blutvergießen mitten in Paris wurde von der Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Tayyip Erdoğan beschlossen. Der MIT hätte die Entscheidung für ein solches Massaker, für das der türkische Staat mit Anklagen und Sanktionen hätte rechnen müssen, nicht allein treffen können. Ohnehin waren Monate zuvor bereits die Namen von 22 PKK-Führungspersönlichkeiten veröffentlicht worden, die getötet werden sollten.
Hevala Sara wurde ins Visier genommen, weil sie Gründungsmitglied der PKK und eine Vorreiterin der Frauenbefreiungsbewegung war. Sie wurde auch angegriffen, weil ihr mit ihrem Widerstand im Gefängnis eine innige Liebe des Volkes galt.
Der türkische Staat betrachtet Rêber Apo (Abdullah Öcalan) und die PKK als seinen größten Feind. Unweigerlich befinden sich dadurch alle Gründungsmitglieder auf der Zielscheibe. Die Ermordung von Hevala Sara stellt einen Racheakt am Freiheitskampf des kurdischen Volkes dar. Große Revolutionärinnen wie Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez zu töten zeigt die abgrundtiefe Feindseligkeit gegenüber der Existenz des kurdischen Volkes. Das wichtigste Ideal des türkischen Staates ist die Vernichtung des kurdischen Daseins. Eben deshalb gelten jene, die zur Stärkung der Existenz der Kurdinnen und Kurden beitragen, als die größten Feinde.
Die Tatsache, dass der türkische Staat für die Ermordung von Sara und ihren Freundinnen große Risiken auf sich genommen hat, zeigt das ganze Ausmaß ihres Kampfes. Sara schloss sich als Wut der Bevölkerung von Dersim den Apocu [PKK-Gründungsgruppe] an und begründete die PKK mit. Beides ist ein Zeichen größten Mutes. Die Beteiligung an einem Widerstand wie diesem und die Übernahme der Verantwortung für den Kampf machen die Art der Persönlichkeit Saras nur allzu deutlich.
Diese Persönlichkeit brach sich mit all ihren besonderen Eigenschaften im Widerstand des Kerkers Nummer 5 von Diyarbakır Bahn. Saras Kampf gab allen Freundinnen in ihrem Zellenblock Mut und wurde zur größten Quelle von Moral für den Gefängniswiderstand. Trotz schwerer Repression und Folter wich sie keinen einzigen Millimeter von ihrem Willen und ihrer Haltung ab. Keine Unterdrückung oder Grausamkeit haben ihre Position kompromittieren können. Diese Tatsache wurde deutlich, als sie dem Feind ins Gesicht spuckte.
Sara nahm an diesem Kampf teil, weil sie ihr Land und ihr Volk liebte. Sie kämpfte bis zum letzten Atemzug ihres Lebens für die Freiheit und stand stets in liebevoller Verbindung zu ihren Freundinnen und Freunden und ihrer Partei. In ihrem Herzen und auf ihren Schultern trug sie die Gefühle der Frauen, die 5.000 Jahre unter dem Patriarchat gelitten haben, und widmete jeden Moment ihres Lebens dem Erfolg des Kampfes. Sie führte den Frauenfreiheitskampf immer voller Leidenschaft und Begeisterung. Wie ein Vulkan explodierte ihr Kampfgeist in das Gesicht des Feindes. Ihr ganzes Dasein verbrachte sie damit, ihrem Umfeld Liebe und positive Energie zu übertragen. Selbst diejenigen, die sie nur für kurze Zeit kannten, empfanden eine tiefe Liebe und Respekt für sie. Sara wird im Freiheitskampf des kurdischen Volkes und der Frauen immer in Erinnerung bleiben. Ihr Name steht als Symbol dieses Kampfes, sie wird immer eine Unsterbliche sein.
Hevala Rojbîn war eine aufrichtige Genossin voller Liebe. Sie musste vor dem Hintergrund der Entkurdisierungspolitik der Gebiete westlich des Euphrat nach Europa migrieren. Sie engagierte sich auf diplomatischer Ebene, um eine Stimme des kurdischen Volkes zu sein. Sie gehörte zu jenen Menschen, die eine maßgebende Rolle bei der Anerkennung des Befreiungskampfes des kurdischen Volkes und des Widerstands für die Freiheit von Rêber Apo spielte. Die Lücke, die sie hinterlassen hat, ist heute noch zu spüren.
Hevala Ronahî war eine junge Freundin, die wie Ali Çiçek den Schmerz, die Sehnsüchte und den Zorn des kurdischen Volkes in ihrem Herzen trug [Unter Führung von Kemal Pir, Mehmet Hayri Durmuş, Akif Yılmaz und Ali Çiçek war am 14. Juli 1982 im Gefängnis von Diyarbakir (ku. Amed) ein Todesfasten ausgerufen, mit dem das Ende der Folter, der Militärdisziplin und der Einheitskleidung gefordert wurde. Diese Aktion gilt als erster Funken des Widerstands nach dem Militärputsch von 1980, mit dem nicht nur die Zustände in den Gefängnissen angeprangert, sondern auch ein revolutionäres Zeichen für die Menschen außerhalb der Gefängnismauern gesetzt wurde, um die Massen zum Kampf gegen das Unterdrückungsregime der Türkei anzufeuern. Kemal Pir, Mehmet Hayri Durmuş, Ali Çiçek und Akif Yılmaz fielen im Verlauf der Aktion]. Sie war sich der historischen Verantwortung bewusst und immer entschlossen, an vorderster Front im Kampf um die Existenz und die Freiheit des kurdischen Volkes zu stehen. Sie führte einen großen Kampf, um Ali Çiçek, dem roten Stern des kurdischen Volkes, gerecht zu werden.
„Ein Prozess aller Frauen auf der Welt“
Obwohl die Genossinnen Sara, Fidan und Ronahî im Herzen von Paris ermordet wurden, brachte die französische Justiz den türkischen Staat und diejenigen, die das Massaker anordneten, nicht vor Gericht. Frankreich hat die Gerechtigkeit politischen und ökonomischen Interessen geopfert. Ein Staat, der Gerechtigkeit beiseitelässt, ist ein Staat, dessen moralische Werte geschwächt werden. Wenn Frankreich die wahren Täter dieses Dreifachmords nicht strafrechtlich verfolgt, wird es als ein Staat mit schwachem Rechtssystem betrachtet werden. Die französischen Regierungsstellen können offensichtlich die Justiz ausschalten, wenn dies ihren Interessen entspricht. Wir erwarten, dass das französische Volk und die demokratischen Kräfte ihre Position als wahrhaft treibende Kraft des Verfahrens gegen die Mörder zeigen und sicherstellen, dass die Täter vor Gericht gestellt werden. Der Fall der Pariser Morde ist nicht nur das Verfahren der Kurd:innen und französischen Demokrat:innen, sondern der Frauen auf der ganzen Welt. Wir sind davon überzeugt, dass Frauen überall Verantwortung für diesen Fall übernehmen und für die Verfolgung der Täter kämpfen werden.
Das kurdische Volk wird denjenigen, die das Massaker verübt haben und jenen, die das Massaker befohlen haben, keine Ruhe lassen. Mit der Befreiung Kurdistans und der Demokratisierung der Türkei wird es die stärkste Antwort auf dieses Massaker geben. Natürlich wird die Bestrafung der Mörder immer eine Pflicht gegenüber dem kurdischen Volk und den kurdischen Frauen bleiben.
Während wir der beim Massaker von Paris am 9. Januar 2013 gefallenen Genossinnen gedenken, bekräftigen wir, dass wir ihre Sehnsüchte durch unseren Kampf erfüllen werden.
Wir gedenken auch voller Dankbarkeit der Freunde Rûbar, Xalil und Murat, die am 6. Januar 2017 durch einen Luftangriff des türkischen Staates gefallen sind. Die Fahne ihres Kampfes weht heute über ganz Kurdistan.
Ebenso erinnern wir voller Dankbarkeit und Respekt an Seve Demir, Pakize Nayır und Fatma Uyar, die im Widerstand für Selbstverwaltung gefallen sind. Wir versprechen, dass wir das freie Kurdistan, die demokratische Türkei und den demokratischen Nahen Osten, nach dem sie sich in ihrem mit großem Widerstand und Mut geführten Freiheitskampf sehnten, schaffen werden.“