Morde von Paris: „Frankreich bleibt schuldig“

Vor neun Jahren wurden drei Kurdinnen vom MIT in Paris ermordet. Ein neues Ermittlungsverfahren stockt, weil der französische Nachrichtendienst Informationen als Staatsgeheimnis einstuft.

Am 9. Januar 2022 ist der neunte Todestag von Sakine Cansız (Sara), Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî). Die drei kurdischen Revolutionärinnen sind im Informationszentrum Kurdistan in Paris von einem türkischen Auftragsmörder erschossen worden, bis heute wurde niemand dafür verurteilt. Die Kurdische Frauenbewegung in Frankreich (TJK-F) und der Dachverband CDK-F fordern nach wie vor Gerechtigkeit ein und werden im Januar dafür erneut auf die Straße gehen.

„Bei den direkt nach dem 9. Januar 2013 eingeleiteten ersten Ermittlungen hat sich herausgestellt, dass das Massaker vom türkischen Nachrichtendienst MIT organisiert worden ist“, stellen die beiden Verbände in einer Ankündigung der im Januar bevorstehenden Protestaktionen fest. Mit dem Tod des Auftragsmörders Ömer Güney in französischer Haft vor Prozessbeginn sei das Verfahren jedoch eingestellt worden. „Nach diesem Gerichtsbeschluss haben zwei hochrangige MIT-Funktionäre, die bei der ,Revolutionären Rache-Operation für Sakine Cansız' von den HPG verhaftet wurden, ausgesagt, dass das Attentat im Wissen und Einverständnis von Erdoğan durchgeführt wurde. Es wurden Informationen vorgelegt, die den Verlauf des Prozesses ändern können. Damit einhergehend sind Anschlagspläne gegen kurdische Politiker in Belgien aufgeflogen und von der belgischen Justiz verfolgt worden. In diesem Prozess wurde aufgedeckt, wer an der Organisation des Massakers beteiligt war, auch der damalige türkische Botschafter Ismail Hakki Musa in Frankreich war involviert. Nach dieser Neuentwicklung wurde auf Antrag der Angehörigen ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dem der französische Nachrichtendienst dem Richter Informationen mit der Begründung vorenthält, dass es sich um Staatsgeheimnisse handele“, so die kurdischen Verbände.

Frankreich verhindert Aufdeckung der Wahrheit“

Weiter heißt es in der Erklärung: „Mit dieser Weigerung des Nachrichtendienstes wird die Justiz bei der Aufklärung der Wahrheit funktionslos gemacht. Sie ist bezeichnend für den politischen Druck, mit dem die Ermittlungen blockiert werden. Diese Haltung sorgt gleichzeitig dafür, dass ein terroristisches Verbrechen des türkischen Nachrichtendienstes MIT in Frankreich nicht bestraft wird. Wenn die Geheimhaltung nicht aufgehoben wird und die Wahrheit im Dunkeln bleibt, gilt Frankreich als schuldig.“

Angekündigte Aktivitäten zum Todestag in Paris

Zum Jahrestag des Attentats im Januar werden in Paris Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen stattfinden, das diesjährige Motto lautet: „Solange die Gerechtigkeit im Dunkeln bleibt, ist Frankreich schuldig!“ Für den 5. Januar ist ein „Marsch für Gerechtigkeit und Wahrheit“ vom kurdischen Gesellschaftszentrum in Paris zum Informationszentrum Kurdistan angekündigt. Am 8. Januar folgt eine Demonstration vom Gare du Nord zum Platz der Republik. Am 9. Januar findet ein Gedenken vor dem Tatort in der Rue Lafayette statt.
Die kurdische Frauenbewegung und der Dachverband CDK-F rufen zu Teilnahme auf und erklären: „Den Mordbefehl hat Erdoğan gegeben, er muss angeklagt werden. Die Gerechtigkeit darf nicht aufgrund von Staatsgeheimnissen im Dunkeln bleiben. Wirtschaftliche und politische Interessen können nicht über die Gerechtigkeit gestellt werden. Solange dieses Massaker nicht aufgeklärt wird, bleibt Frankreich schuldig.“