Türkischer Botschafter steht mit Morden von Paris in Verbindung

Ein französischer Fernsehsender hat im Rahmen einer Reportage über die Waffenlieferungen des türkischen MIT an die Dschihadisten in Syrien auf die Rolle des Botschafters der Türkei in Frankreich, Ismail Hakki Musa hingewiesen.

Ismail Hakki Musa stand beim Besuch des türkischen Regimechefs Erdoğan im Elysee-Palast direkt neben Erdoğan. Er war Vertreter der Kommandoebene des MIT und begleitete damals in dieser Funktion Erdoğan.

2014 war aufgedeckt worden, dass unter der Verantwortung des MIT-Chefs Hakan Fidan Lastwagenladungen mit Waffen an dschihadistische Gruppen in Syrien geliefert worden sind. Jeder, der in der Türkei das Thema auch nur anrührte, landete entweder im Exil, im Gefängnis oder ist umgebracht worden.

Der Fernsehsender France 2 strahlte am 29. März eine Sondersendung zu diesen Waffenlieferungen auf der Grundlage der Recherchen des investigativen Journalisten Laurent Richard aus. Im Rahmen der Recherche wurde die Rolle des ehemaligen MIT-Verantwortlichen und heutigen Botschafters Ismail Hakki Musa hervorgehoben.

Lastwagen des MIT, Geiselnahme in Mosul, und das Süleyman-Şah-Grabmal

In der Reportage wurde Musa als der „Botschafter, der von allem wusste“ vorgestellt. Ismail Hakki Musa war, bevor er zum Botschafter ernannt worden ist, die Nummer zwei des MIT. Er wurde nach Frankreich geschickt, weil er dort Ende der 80er Jahre studiert hatte. Danach hatte er auf unterschiedlichen Ebenen gearbeitet. 2012 wurde er zum stellvertretenden MIT-Chef ernannt. Um Hakan Fidan den Platz frei zu machen war er von seinem Amt zurückgetreten und am 10. Februar 2015 in die Leitung des MIT berufen worden. Es ist auffällig, dass die schwersten Straftaten des MIT in die Zeit fallen, als er MIT-Verantwortlicher war.

Ein paar Monate nach der Aufdeckung der Waffenlieferungen des MIT an Dschihadisten in Syrien hat Musa den Austausch mit dem Islamıschen Staat (IS) bezüglich der „Geiseln“ im türkischen Konsulat von Mosul geführt. Nach offiziellen Angaben hatte der IS im türkischen Konsulat etwa 40 Geiseln genommen. Diese seien aufgrund einer „erfolgreichen Operation“ des türkischen Staates freigelassen worden. Aus vielen Dokumenten, die in Folge aufgetaucht waren, aber auch aus Augenzeugenberichten wurde klar, dass man in Mosul einen Deal mit dem IS geschlossen hatte. Als der IS Mosul besetzt hatte, war es die Aufgabe von Musa gewesen, die Situation zu lösen. Auch als das Grabmal von Süleyman Şah, das vom IS bedroht wurde, umgesetzt worden war, war Musa die Nummer zwei im MIT.

Spionageaktivitäten

Musa wurde nur vier Monate nach dem Putschversuch im Juli 2016 zum Botschafter von Paris ernannt. Danach wurden die Geheimdienstaktivitäten des türkischen Staates in Moscheen und vielen anderen Bereichen intensiviert. 2017 beschuldigten deutsche Geheimdienste Imame der türkischen Religionsbehörde Diyanet (DITIB) der Spionage und sechs von ihnen wurden ausgewiesen. Es wurde aufgedeckt, dass ähnliche Spionagenetzwerke in Holland, Belgien, Frankreich und der Schweiz aufgebaut worden waren.

Die Spuren führen zum Massaker von Paris

Der Name des ehemaligen MIT-Verantwortlichen taucht ebenfalls an entscheidender Stelle in der Recherche im Zusammenhang mit den Morden von Paris vom 9. Januar 2013 auf. Aus den Dokumenten geht deutlich hervor, dass der Mordverdächtige Ömer Güney auf Befehl der MIT-Führung gehandelt hat. Ömer Güney hatte ebenfalls über seine Fluchtpläne in verschlüsselter Weise mit dem MIT kommuniziert. Er wollte, dass die von ihm gezeichneten Fluchtpläne den MIT erreichen.

Spuren des Massakers führen zu Ismail Hakki Musa

Es ist kein Zufall, dass Musa genau zur Zeit des Massakers zum MIT-Verantwortlichen ernannt worden war. Er war vom 1. November 2011 bis zum 15. Oktober 2012 Botschafter in Brüssel gewesen und wurde dann zum stellvertretenden MIT-Chef ernannt. Als Musa in Brüssel war, war der mutmaßliche Killer Ömer Güney Teil des MIT-Spionagenetzes zwischen Frankreich, Belgien und Deutschland. Zu dieser Zeit fuhr Güney immer wieder zu geheimen Treffen in die Türkei und wurde von MIT-Verantwortlichen mit dem Attentat beauftragt. Güney war am 18. November 2011 von Deutschland nach Paris gekommen und hatte sich als Mitglied in einem kurdischen Verein angemeldet und damit begonnen, die kurdischen Strukturen zu infiltrieren.

Geheimdokumente …

Bei einem seiner Besuche im Oktober 2012 in der Türkei, traf sich Güney mit MIT-Verantwortlichen und plante das Attentat genau. Im Januar 2014 sind MIT-Dokumente und eine Tonaufnahme von diesem Gespräch an die Öffentlichkeit gedrungen. Das Geheimdokument, mit dem der Befehl zum Attentat auf Sakine Cansız gegeben worden war, stammt vom 18. November 2012. Dieses Datum fällt mit der Amtszeit Musas als stellvertretender MIT-Chef zusammen.

Der verdächtige Tod von Ömer Güney

In der Zeit, in der Musa zum Botschafter in Paris ernannt worden war, gab es eine bedeutsame Entwicklung im Rahmen des Verfahrens gegen Ömer Güney. Einen Monat, nachdem Musa zum Botschafter in Paris ernannt worden war, ist Musa am 17. Dezember 2016 gestorben oder getötet worden. Mit dem Tod Güneys wurde das Verfahren geschlossen.

Die Angehörigen der Ermordeten, wie auch die Kurd*innen im Allgemeinen, gaben sich mit einem solchen Ende des Prozesses nicht zufrieden. 2017 wurde eine neue Anzeige eingereicht und in diesem Rahmen Vorermittlungen durchgeführt. Am 12. März 2018 wurde ein neuer Strafantrag eingereicht, um die Planer des Massakers zu ermitteln und zu verurteilen. Diesmal wurden noch mehr Dokumente, die das weit gespannte Spionagenetz und die Attentatspläne beinhalten, beigefügt.

Killer-Teams zwischen Deutschland, Belgien und Frankreich

Der Anwalt der Kläger*innen Antoine Comte stellte gegenüber ANF zu diesem Netzwerk fest: „Es gibt Ermittlungen in Deutschland wegen Spionageaktivitäten türkischer Geheimdienste. Es gibt auch eine Ermittlung in Belgien wegen möglicher Angriffe auf kurdische Vertreter*innen. Zwischen dem was in Belgien passiert und den Ereignissen in Frankreich gibt es eine enge Verbindung.“

Wer hat Ömer Güney geholfen?

Wenn man die Fragen aufwirft „Wer hat geholfen, wer hat finanziert?“ dann taucht der Name von Ismail Hakki Musa auf. In der Reportage kritisierte Comte die Entscheidung Frankreichs „die Ernennung eines Verantwortlichen für Straftaten des türkischen Geheimdienstes als Botschafter zu akzeptieren.“

In Paris haben sich die Killer getroffen, wer hat sie koordiniert?

Während Musas Amtszeit als Botschafter gab es weitere verdächtige Ereignisse. Am 18. März 2018 hieß es in Le Monde, dass in den europäischen Behörden große Sorge bezüglich des Auffindens von aus der Türkei gegen Kurd*innen ausgesandten Killern bestehe. Jacques Follorou schreibt in Le Monde, dass im letzten Jahr in Paris ein Treffen zwischen einem ehemaligen Polizisten, einem Killer und vielen türkischen Agenten stattgefunden habe. Diese Treffen wurden laut Le Monde in Paris von einem türkischen Diplomaten der höchsten Ebene organisiert. In der Nachricht werden keine Namen angegeben. Aber viel scheint auf Ismail Hakki Musa hinzudeuten.