Die Ko-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Pervin Buldan, hat angekündigt, bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in der Türkei mit einem eigenen Kandidaten oder einer Kandidatin anzutreten. Das erklärte die kurdische Politikerin am Samstag auf dem Kongress des Provinzverbands der HDP in Qers (tr. Kars). Die Kandidatur werde in Kürze bekannt gegeben.
In der Türkei sollen am 18. Juni Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. Gegen die HDP läuft seit geraumer Zeit ein Verbotsverfahren, das auf Wunsch der Erdogan-Regierung vor den Wahlen abgeschlossen werden soll. Am Donnerstag hat das türkische Verfassungsgericht die HDP von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Dadurch verliert die Partei den Zugang zu 27 Millionen Euro, von denen ein Drittel noch vor dem 10. Januar ausgezahlt werden sollte. In einen Monat soll entschieden werden, ob der Partei dauerhaft öffentliche Mittel vorenthalten werden.
Pervin Buldan erklärte in Qers zur Streichung der Parteienfinanzierung: „Wir wissen, dass es sich nicht um eine juristische Entscheidung handelt und sie auf Befehl aus dem Palast gefällt wurde. Das Verfassungsgericht hat sich mit der Unterzeichnung des Urteils zum Instrument des Palastes gemacht. Die öffentlichen Mittel können blockiert werden, aber der Wille des Volkes lässt sich von keiner Macht blockieren.“
Wahlkampfstrategie der AKP und MHP
Bei dem Vorgang handele es sich um eine Wahlkampfstrategie der AKP und MHP, mit der die HDP aus dem Parlament und der Politik gedrängt werden solle, so die HDP-Vorsitzende: „Als HDP werden wir in Kürze den Namen für unsere Präsidentschaftskandidatur öffentlich machen. Die HDP wird bei den Wahlen mit einem eigenen Kandidaten oder einer Kandidatin antreten. Wir haben keine Gemeinsamkeiten mit der Volksallianz [Cumhur İttifakı, AKP und MHP] und der Nationalen Allianz [Millet İttifakı, CHP, IYI-Partei u.a.]. Wir haben jedoch Grundsätze, über die wir zu gegebener Zeit sprechen und verhandeln können. Wir sind zu einem Dialog bereit, aber bisher haben wir uns zu einer eigenen Kandidatur entschieden. Darauf haben wir uns vorbereitet, zusammen mit allen demokratischen Kräften in der Türkei, mit dem Bündnis für Arbeit und Freiheit, mit der Zustimmung der Frauen und der Jugend, und unter Berücksichtigung der Vorschläge aller gesellschaftlichen Gruppen. Niemand sollte davon ausgehen, dass die HDP sich an die eine oder andere Partei bindet. Die HDP steht für einen Willen in der Türkei, sie ist eine große Kraft. Und sie ist eine Partei, die aus den Wahlen mit vielen Stimmen hervorgehen will. Die HDP ist keine kurdische Partei, sie ist die Partei aller unterdrückten, missachteten und ausgegrenzten Völker und gesellschaftlichen Gruppen. Sie ist das Dach, unter dem alle Identitäten im Parlament vertreten sind.“
Königsmacherin bei Wahlen
Die HDP war bei vergangenen Wahlen in der Türkei mehrfach das Zünglein an der Waage. Bei der letzten Parlamentswahl im Jahr 2018 erhielt sie fast sechs Millionen Stimmen. Damit bildet die HDP derzeit die zweitstärkste Oppositionsfraktion in der türkischen Nationalversammlung. Doch besonders die Kommunalwahlen im März 2019 trugen zu ihrem Ruf als Königsmacherin bei. Damals verzichtete die Parteiführung in einigen Städten auf eigene Kandidaturen und rief stattdessen ihre Wählerinnen und Wähler dazu auf, den Kandidaten der CHP ihre Stimme zu geben. Ohne Rückendeckung der HDP wäre der Wahlsieg des Istanbuler Oberbürgermeisters Ekrem Imamoğlu nicht möglich gewesen.