Pervin Buldan: Die Menschlichkeit wird mit Füßen getreten

„Die Menschlichkeit wird mit Füßen getreten“, erklärte die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan auf einer Sondersitzung im türkischen Parlament. Staatspräsident Erdoğan verließ bei der Rede den Saal.

Auf einer Sondersitzung der türkischen Nationalversammlung am „Feiertag der nationalen Souveränität und des Kindes“ hat Pervin Buldan als Ko-Vorsitzende der Demokratischen Partei der Völker (HDP) auf die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei verwiesen. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan verließ während Buldans Rede den Sitzungssaal.

Die HDP-Vorsitzende sagte in ihrer Rede, dass die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der Türkei ohne Hoffnung in die Zukunft blicken: „Wenn in einem Land das Rechtssystem zusammenbricht, zerbricht das ganze Land.“

Buldan erinnerte an die Todesopfer von Soma, Roboskî und Gezi und sagte im Verweis auf Recep Hantaş, einen jungen Kurden, der vergangene Woche in Amed (Diyarbakir) von einem Polizisten erschossen worden ist: „Wie können wir von einem Rechtssystem sprechen, wenn die Mörder mitten unter uns sind?“

Die kurdische Politikerin sprach auch das brutale polizeiliche Vorgehen gegen Mütter von hungerstreikenden Gefangenen an und erklärte: „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die Menschlichkeit mit Füßen getreten wird.“

Den Angriff eines Lynchmobs auf den CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu in Ankara vor zwei Tagen bezeichnete Buldan als „Probelauf für ein weiteres Madimak“ und bezog sich dabei auf den pogromartigen Angriff auf ein Hotel in Sivas vor 26 Jahren, bei dem 37 Alevitinnen und Aleviten verbrannt sind.

Pervin Buldan prangerte außerdem die Unregelmäßigkeiten bei den Kommunalwahlen vom 31. März an und bezeichnete das Vorgehen in mehreren kurdischen Kreisstädten als „Usurpation der Kommunalverwaltungen“. Der Hohe Wahlausschuss hatte die Wahlsieger der HDP in sechs Bezirken als ungeeignet für das Bürgermeisteramt erklärt und AKP-Kandidaten als Bürgermeister anerkannt.

Das türkische Parlament und die Regierung rief Buldan dazu auf, der Stimme ihrer Fraktionskollegin Leyla Güven endlich Gehör zu verschenken und die notwendigen juristischen und demokratischen Schritte einzuleiten. Leyla Güven ist seit dem 7. November im Hungerstreik gegen die Isolation Abdullah Öcalans.

Zum Schluss ihrer Rede erklärte die HDP-Vorsitzende: „Der einzige Weg aus der bestehenden Krise ist eine demokratische Republik, in der die kurdische Frage und die Probleme der Gesellschaft friedlich und demokratisch gelöst werden, in der Gerechtigkeit herrscht und die Unterschiedlichkeiten verfassungsrechtlich garantiert werden. Einen anderen Ausweg gibt es nicht.“