OLG München verurteilt Haci Atlı wegen PKK-Mitgliedschaft

Der kurdische Aktivist Haci Atlı ist vom OLG München wegen PKK-Mitgliedschaft zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. AZADÎ e.V. sieht darin eine weitere verpasste Chance der Kurskorrektur im Umgang deutscher Gerichte mit dem Kurdistan-Konflikt.

Zwei Jahre Freiheitsstrafe

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat den kurdischen Aktivisten Haci Atlı als vermeintlichen Funktionär der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der 7. Strafsenat sah es am Freitag als erwiesen an, dass der 51-Jährige zwischen 2021 und 2023 für die PKK den „Raum München“ geleitet habe, und sprach ihn deshalb der Mitgliedschaft in einer „terroristischen“ Vereinigung im Ausland (§§ 129a,129b StGB) schuldig.

Der Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. kritisierte die Verurteilung Atlıs. Ihm seien lediglich für sich genommen legale Tätigkeiten vorgeworfen worden, wie sie im Rahmen eines jeden Vereinslebens üblich sind, etwa das Sammeln von Spenden, das Organisieren von Veranstaltungen oder gemeinsamen Fahrten, öffentliche Aufklärung oder das Schlichten von Streit. „Besonders perfide sind die Vorwürfe gegen Atlı, bei einer Trauerfeier für seine vom türkischen Militär getötete Cousine eine Rede gehalten und sich an einer Kundgebung für den 2022 vor dem OLG München angeklagten Kurden Mirza Bilen beteiligt zu haben“, erklärte AZADÎ. Eine individuelle Straftat sei dem Aktivisten – wie in den allermeisten Verfahren wegen PKK-Mitgliedschaft – nicht zulasten gelegt worden.

Die Verteidigung sah nach der durchgeführten Hauptverhandlung die erhobenen Tatvorwürfe nicht erwiesen und kündigte an, in Revision zu gehen. Sie hatte noch am letzten Verhandlungstag den Aufruf Abdullah Öcalans für Frieden und eine demokratische Gesellschaft, der am Donnerstag der Öffentlichkeit vorgestellt worden war, in das Verfahren eingebracht. Das Gericht merkte dazu an, dass es jetzt noch zu früh sei, um abschätzen zu können, ob der Aufruf auf ein Ende des bewaffneten Kampfs hinauslaufe. Sollte dies der Fall sein, werde die Rechtsprechung künftig darauf reagieren.

Der Rechtshilfefonds AZADÎ sieht in der Verurteilung Haci Atlıs eine weitere verpasste Chance der Kurskorrektur im Umgang deutscher Gerichte mit dem Kurdistan-Konflikt. Stattdessen werde die Verfolgung politisch engagierter Kurd:innen ausgeweitet. „Haci Atlıs Beispiel zeigt, wie in den letzten Jahren nicht nur vermeintliche Kader der PKK in herausgehobenen Stellungen als „Terrorist:innen“ verfolgt werden, sondern immer mehr Aktivist:innen ins Fadenkreuz der Strafverfolgungsbehörden geraten, die sich in lokale Vereine der kurdischen Community einbringen. Ihr Engagement als „Terrorismus“ zu diffamieren, erfordert immer weitere argumentative Verrenkungen und rechtlich bedenkliche Beweisführungen“, kritisiert der Verein.

Anerkannter Asylsuchender aus Nordkurdistan

Haci Atlı war im Mai vergangenen Jahres im bayerischen Fürstenfeldbruck festgenommen und anschließend in der JVA Kempten in Untersuchungshaft genommen worden. Zuvor lebte er zwei Jahre als anerkannter Asylsuchender in Deutschland, nachdem er seine Heimat Nordkurdistan aufgrund der Verfolgung durch den Staat Türkei verlassen musste. Dort war er laut AZADÎ zweimal inhaftiert und von der Polizei gefoltert worden.