AZADÎ fordert Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots

Am 26. November 1993 trat in Deutschland das Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Kraft. Der Kölner Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. fordert dessen Aufhebung und die Abschaffung der Gesinnungsparagrafen 129a und 129b.

31 Jahre Betätigungsverbot für die PKK

2024 jährt sich das Betätigungsverbot gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) durch den damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) zum 31. Mal. Mit der Veröffentlichung im „Bundesanzeiger“ trat es am 26. November 1993 in Kraft. Obwohl die Verfolgung der kurdischen Freiheitsbewegung bereits in den 1980er Jahren begonnen hatte, intensivierte sich die Repression in den drei Jahrzehnten nach dem Verbot erheblich. Der Kölner Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland (AZADÎ e.V.) forderte am Montag anlässlich des bevorstehenden Jahrestags eine Aufhebung des Verbots:

Tiefer Eingriff in kurdisches Leben

„Auf Grundlage des Betätigungsverbots für die PKK fanden in den letzten 30 Jahren zehntausende von Strafverfahren statt, wurden Grundrechte der in Deutschland lebenden Kurd:innen außer Kraft gesetzt, Demonstrationen und Kundgebungen verboten. Politisches Engagement ohne jeden strafrechtlichen Verstoß ist vielen Kurd:innen ohne deutschen Pass unter Maßgaben des Ausländerrechts zum Verhängnis geworden. Einbürgerungen wurden verweigert, der Asylstatus wieder aberkannt und Menschen per Ausweisungsverfügung die Aufenthaltserlaubnis und damit jede gesicherte Lebensgrundlage in Deutschland entzogen. Das Verbot hat tief in das Leben der Menschen eingegriffen und bei vielen die Erfahrung hinterlassen, der Verfolgung in der Türkei entkommen zu sein, um in Deutschland wieder in einer Falle zu sitzen.

Die kurdische Community hier in Deutschland soll verunsichert und entpolitisiert werden, damit sich hier kein Widerstand gegen die mörderische Politik des türkischen Staates regt. Dafür sorgt ein dichtes Netz von Spitzeln, die vom Verfassungsschutz und dem polizeilichen Staatsschutz angeworben werden. Dafür sorgen auch die Verbote von Symbolen und Parolen der kurdischen Befreiungsbewegung auf Demonstrationen und Veranstaltungen. Und dafür sorgen nicht zuletzt auch die Anklagen und Verurteilungen wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer ausländischen „terroristischen“ Vereinigung nach dem § 129b StGB. In diesen Verfahren werden den Beschuldigten so gut wie nie individuelle Straftaten vorgeworfen. Allgemeine politische Aktivitäten wie etwa das Organisieren von Demonstrationen und Kulturveranstaltungen reichen aus, um die Betroffenen für Jahre hinter Gitter zu sperren. Aktuell befinden sich 18 kurdische Aktivisten, denen eine Mitgliedschaft in der PKK vorgeworfen wird, in deutschen Gefängnissen in Straf- oder Untersuchungshaft.

Absoluter Strafverfolgungswille

Vor allem in den letzten zwei Jahren ist festzustellen, dass die Bundesanwaltschaft ihren absoluten Strafverfolgungswillen gegen die kurdische Befreiungsbewegung auf ganz Europa ausweitet. Allein in diesem Jahr gab es auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls Auslieferungen von kurdischen Aktivisten aus Schweden, Italien und Spanien. Ein Auslieferungsersuchen gegen einen kurdischen Journalisten in den Niederlanden scheiterte daran, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entzog.

Den Auslieferungen folgen auch Verurteilungen. Kenan Ayaz wurde am 2. September vom Oberlandesgericht (OLG) Hamburg zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten für fünf Jahre zurückliegende angebliche Aktivitäten im Auftrag der PKK in Deutschland verurteilt. Seine Auslieferung im Juni 2023 aus Zypern führte in der dortigen Bevölkerung auf Unverständnis und zu politischen Spannungen. Der im Dezember 2022 aus Italien ausgelieferte Aktivist Mehmet Çakas erhielt am 10. April vor dem OLG Celle eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Ebenso wurde der im Juni 2022 aus Frankreich ausgelieferte Aktivist Sabri Çimen vom OLG Koblenz zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Allen drei Verurteilten wurden keine individuellen Straftaten, sondern lediglich allgemeine politische Aktivitäten zur Last gelegt.

Das seit 31 Jahre bestehende PKK-Verbot und die Kriminalisierung politischer Aktivitäten mit einem wie auch immer gearteten Bezug zu Kurdistan in Europa sind primär außenpolitisch motiviert. Offensichtlich wurde dies im Zuge des sich über ein Jahr hinziehenden NATO-Beitrittes Schwedens. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte immer wieder sein Veto eingelegt und vor dem Beitritt ein härteres Vorgehen Schwedens und anderer NATO-Staaten gegen die kurdische Exilbevölkerung in den jeweiligen Ländern gefordert.

Kurd:innen droht in großem Umfang Abschiebung in Verfolgerstaat

Der außenpolitische Bezug des PKK-Verbots spielte auch beim jüngsten Türkeibesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz am 19. Oktober wieder eine Rolle. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Erdoğan hob Scholz hervor, wie erfolgreich Deutschland unter den europäischen Ländern bei der Verfolgung der PKK sei. Zugleich sicherte der Bundeskanzler der Türkei massive Waffenlieferungen aus deutscher Rüstungsproduktion inklusive der Lieferung von 40 Eurofightern zu. Im Gegenzug soll sich die türkische Regierung kooperativer zeigen, im großen Umfang ausreisepflichtige türkische Staatsbürger:innen zurückzunehmen. Davon betroffen wären im großen Umfang auch in der Türkei politisch verfolgte Kurd:innen, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben.

PKK auch von EU-Terrorliste streichen

Die deutsche Politik sollte gegenüber der kurdischen Befreiungsbewegung nicht auf Repression, sondern auf Dialog setzt. Die aktuellen Probleme des Mittleren Ostens und die historischen Hintergründe des türkisch-kurdischen Konflikts lassen sich weder mit dem Strafrecht noch durch die Inhaftierung einzelner Personen lösen. Daher fordern wir die Aufhebung des seit 31 Jahren in Deutschland bestehenden Verbots der PKK, die Streichung der PKK von der EU-Terrorliste und die Abschaffung der Gesinnungsparagrafen 129a und 129b des Strafgesetzbuchs.“

Foto: Mahnwache für die Freiheit von PKK-Begründer Abdullah Öcalan vor dem Europarat in Straßburg, März 2019 © ANF