NRW fordert Abschiebestopp für ezidische Frauen und Kinder

Die nordrhein-westfälische Integrationsministerin hat vom Bund einen generellen Abschiebestopp für ezidische Frauen und Kinder gefordert. Die rechtlichen Möglichkeiten auf Landesebene seien ausgeschöpft.

Bis zu 10.000 ausreisepflichtige Ezid:innen

Die nordrhein-westfälische Ministerin für Flucht und Integration, Josefine Paul, hat vom Bund einen generellen Abschiebestopp für ezidische Frauen und Kinder gefordert. Kurz vor dem zehnten Jahrestag des Völkermords an tausenden Ezidinnen und Eziden in ihrer Heimat Şengal appellierte die grüne Politikerin an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die religiöse Gemeinschaft vor Verfolgung im Irak zu schützen. Nur der Bund könne einen dauerhaften Abschiebungsstopp veranlassen und eine rechtssichere Perspektive für die Betroffenen schaffen, sagte Paul der dpa. Die rechtlichen Möglichkeiten auf Landesebene seien ausgeschöpft.

Systematisch tötete die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) am 3. August 2014 und in der Folgezeit rund 10.000 Ezid:innen, nachdem ihr im Nordirak gelegenes Kerngebiet Şengal von den Dschihadisten überrannt worden war. Bis heute werden noch etwa 2.700 Menschen vermisst. Der Bundestag hatte diese Verbrechen des IS im vergangenen Jahr zwar als Völkermord anerkannt, einen dauerhaften Abschiebestopp für Angehörige der ezidischen Gemeinschaft gibt es aber bislang nicht. Josefine Paul hält das für falsch, denn bei einer Abschiebung in den Irak seien insbesondere Frauen und ihre Kinder bedroht. Diese seien weiterhin erheblichen Gefahren ausgesetzt. „So kam es in den Siedlungsgebieten im Irak immer wieder zu Zwangsprostitution, Rekrutierung von Kindersoldaten und Versklavung“, sagte Paul.

Nordrhein-Westfalen habe deshalb im Dezember 2023 per Erlass einen formalen Abschiebestopp für ezidische Frauen und Kinder verhängt und im März um weitere drei Monate verlängert. Für eine weitere Aufenthaltsgewährung von mehr als sechs Monaten wäre ein Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium notwendig. „Seit dem 18. Juni 2024 bleiben dem Land NRW keinerlei rechtliche Möglichkeiten mehr, um die Abschiebung von ezidischen Frauen und Kinder an den Ort des IS-Terrors aufzuhalten», stellte Paul fest. Jetzt müsse endlich der Bund handeln.

Bis zu 10.000 Menschen von Abschiebung bedroht

Über die genaue Anzahl der in Deutschland lebenden Ezid:innen gibt es keine gesicherten Informationen. Der im nordrhein-westfälischen Löhne ansässige Zentralverband der Êzidischen Vereine e.V. Nav-Yek schätzt ihre Zahl auf etwa 250.000. Die meisten leben in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Der Verein Pro Asyl schätzt, dass derzeit 5.000 bis 10.000 ezidische Menschen aus dem Irak ausreisepflichtig und von Abschiebungen bedroht sind.


Anmerkung zur Schreibweise: Im deutschen Sprachraum ist Jesidin/Jeside gebräuchlich. Viele Organisationen nutzen als Eigenbezeichnung „êzîdisch“, während ANF in der Regel „ezidisch“ verwendet.