Hesandin: Anwaltskammer klagt gegen Umweltbehörde
Der Streit um ein geplantes Bergbauprojekt am Hesandin-Massiv in Amed geht in eine neue Phase: Die Anwaltskammer klagt gegen die türkische Umweltbehörde.
Der Streit um ein geplantes Bergbauprojekt am Hesandin-Massiv in Amed geht in eine neue Phase: Die Anwaltskammer klagt gegen die türkische Umweltbehörde.
Der Streit um das geplante Bergbauprojekt am Hesandin-Massiv in der kurdischen Provinz Amed (tr. Diyarbakır) geht in eine neue Phase: Die örtliche Anwaltskammer und der Verein freiheitlicher Jurist:innen (ÖHD) haben Klage gegen einen Bescheid der Umweltbehörde eingereicht, der besagt, dass für das Projekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung (ÇED) erforderlich sei.
Widersprüchliche Behördenkommunikation
Das Unternehmen „Kulp Madencilik ve Dış Ticaret A.Ş.“, das dem Geschäftsmann Mehmet Emin Eren gehört, hatte bereits 2008 beim Gouverneursamt von Diyarbakır sowie der zuständigen Umweltbehörde beantragt, am Hesandin Eisen- und Chromerz zu fördern. Im Juni 2008 wurde dem Antrag mit der Begründung stattgegeben, dass ein umfassender Umweltverträglichkeitsbericht nicht notwendig sei – ein Bescheid mit zunächst fünfjähriger Gültigkeit.
Nachdem es über Jahre hinweg keine sichtbaren Aktivitäten gegeben hatte, forderten die Anwaltskammer Diyarbakır und die Initiative „Plattform Hesandin“ im Rahmen des türkischen Informationsfreiheitsgesetzes eine erneute Prüfung. Die Antwort des Gouverneursamtes vom 6. September 2024 lautete eindeutig: Da innerhalb von fünf Jahren nach Bescheiderlass keine Investition begonnen worden sei, sei die ÇED-Befreiung „verfallen“.
Blick auf den Hesandin
Projekt wieder aufgenommen
In Reaktion auf die offizielle Auskunft wurden die Bergbauaktivitäten zunächst eingestellt, der öffentliche Protest ließ nach. Doch im Oktober 2024 erhielt das Unternehmen überraschend eine gegenteilige Auskunft: In einem Schreiben bestätigte die Behörde dem Unternehmen nun, dass der Befreiungsbescheid für die Umweltverträglichkeitsprüfung weiterhin gültig sei – mit Verweis auf angeblich zwischen 2011 und 2013 stattgefundene Bergbauaktivitäten und Materialverkäufe.
Diese widersprüchliche Informationspolitik sorgte für Empörung. Obwohl die Arbeiten lange geruht hatten, wurde vor rund drei Wochen mit Straßenbauarbeiten in der Region begonnen. Anwohner:innen vermuteten zunächst militärische Infrastruktur als Grund, doch der neue Behördenbescheid nährt erneut Zweifel: Steht das Projekt doch in direktem Zusammenhang mit den Bergbauplänen?
Vor diesem Hintergrund haben die Rechtsanwaltskammer in Amed, der Verein ÖHD und weitere Anwält:innen aus der Region Klage beim 2. Verwaltungsgericht von Diyarbakır eingereicht. Ziel ist die Aufhebung der ÇED-Befreiung sowie ein einstweiliger Baustopp. Zudem wurde angekündigt, Strafanzeige gegen die Verantwortlichen in der Umweltbehörde zu stellen – wegen der „willkürlichen und widersprüchlichen Verwaltungspraxis“.
Kritik an fehlender Transparenz
Ahmet Inan, Vorsitzender der Umwelt- und Stadtentwicklungskommission der Anwaltskammer in Amed, kritisierte die fehlende Transparenz der Behörden: „Es wurde keine Vor-Ort-Kontrolle durchgeführt, keine Satellitenbilder ausgewertet, keine Stellungnahmen anderer Institutionen eingeholt. Das widerspricht jeglichen rechtsstaatlichen Grundsätzen.“ Zudem wurde bei der jüngsten Ortsbegehung am 20. April dokumentiert, dass dutzende Bäume gefällt worden sind – unter dem Vorwand von Straßenbauarbeiten.
Bedeutung des Falls für die Region
Das Hesandin-Massiv in der gleichnamigen Region im Landkreis Pasûr (Kulp) ist für mehr als 100 umliegende Weiler essenziell: Es dient nicht nur der Wasserversorgung, sondern ist auch wichtig für Landwirtschaft, Tierzucht, Bienenhaltung und traditionelle Seidenraupenzucht. Für viele lokale Bewohner:innen ist der Widerstand gegen das Bergbauprojekt auch ein Kampf um den Erhalt ihres Lebensraumes.
Ahmet Inan betont: „Hesandin ist ein symbolischer Ort für die ökologische Bewegung in Kurdistan. Der Widerstand hier ist Ausdruck eines kollektiven Bewusstseins – und wir werden diesen Kampf weiterführen.“
Die Entscheidung des Gerichts über die beantragte einstweilige Verfügung und die Klage zur Aufhebung des umstrittenen ÇED-Bescheids steht noch aus.