Die grün-schwarze Landesregierung Baden-Württembergs bleibt hart. Der Kurde Muhammed Tunç aus Ulm, dessen Abschiebung in die Türkei unlängst zweimal gescheitert war, soll demnächst in die Türkei geflogen werden. Nach Angaben von Tunç, der sich weiterhin im Abschiebegefängnis Pforzheim befindet, soll die Chartermaschine mit dem 32-Jährigen an Bord am 7. April abheben. Obwohl der Fall des Aktivisten aufgrund medialen Aufsehens zwischenzeitlich auch die Aufmerksamkeit von Ultranationalisten in der Türkei auf sich gezogen hat, Tunç sogar öffentlich aus dem Umfeld der „Grauen Wölfe“ bedroht wurde, halten die Behörden stur an seiner Abschiebung fest.
Tunç in der Türkei als „Feind“ gelistet
Muhammed Tunç ist 1989 in Ulm geboren und aufgewachsen und besitzt die türkische Staatsbürgerschaft. In der Türkei ist er aufgrund seines pro-kurdischen Engagements in Deutschland der Gefahr politischer Verfolgung, Haft und Folter ausgesetzt. Das will das baden-württembergische Justizministerium jedoch nicht eingestehen. Die Behörde hält die Abschiebung für vertretbar und rechtfertigt die Entscheidung mit einer „Straffälligkeit“ im Zusammenhang mit zwei Gerichtsurteilen gegen den Kurden wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Verurteilungen erfolgten nach Auseinandersetzungen mit türkischen Nationalisten aus dem Umfeld der Partei von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Laut Tunç sei sein Name den Behörden in der Türkei als „Feind“ ein Begriff.
Liegt ein Auslieferungsersuchen aus der Türkei vor?
Zwei Mal wäre Tunç dennoch beinahe abgeschoben worden. In beiden Fällen konnte die Ausweisung verhindert werden. Die Entlassung aus der Abschiebehaft konnten die Anwälte des Kurden bisher aber nicht erwirken. Nun wird offensichtlich, was schon länger befürchtet wurde. Die Abschiebung von Tunç scheint nur ein Nebenschauplatz zu sein. „In Gesprächen ist mir mehrmals vermittelt worden, dass ich an die türkischen Sicherheitsbehörden überliefert werden soll“, teilt der Aktivist in einer E-Mail aus der Abschiebungshafteinrichtung Pforzheim mit. Mit Blick auf die kürzlich durch Recherchen von Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und Deutsche Welle (DW) bekannt gewordene Durchsuchung bei einem Hamburger Kurden aufgrund eines Rechtshilfeersuchens der türkischen Behörden sehe er es nicht als unwahrscheinlich, dass „parallel zu der ganzen Angelegenheit“ um seine Abschiebung auch ein Auslieferungsersuchen aus der Türkei vorliegt.
Kritik an Haftbedingungen in der Pforzheimer Abschiebungshafteinrichtung
Kritik übt Tunç auch an den Bedingungen in der Pforzheimer Abschiebungshafteinrichtung, unter denen er weiterhin „ausharren“ müsse, obwohl diese nicht den europäischen Normen entsprächen. Ähnlich äußerte sich kürzlich auch der Flüchtlingsrat Badem-Württembergs und forderte das Land auf, Abschiebehäftlinge anders unterzubringen. Der EuGH in Luxemburg hatte am Donnerstag entschieden, dass Menschen in Abschiebehaft dann in einer separaten Abteilung einer Justizvollzugsanstalt untergebracht werden dürften, wenn verhindert wird, dass die „Unterbringung einer Inhaftierung in Gefängnisumgebung gleich kommt“. Der Flüchtlingsrat sieht diese Bedingungen in Pforzheim nicht gegeben. „Niemand kann ernsthaft behaupten, dass sich die Bedingungen für die Inhaftierten wesentlich von denen in Strafhaft unterscheiden“, erklärte Geschäftsführer Seán McGinley. Die Einrichtung sei von stacheldrahtbewehrten Mauern umgeben, die Inhaftierten dürften sich in der Regel nur auf dem eigenen Stockwerk aufhalten und würden nachts in ihren Hafträumen eingeschlossen. Dem widersprach ein Sprecher des Justizministeriums. Die Bedingungen der Abschiebehaft in Pforzheim seien so ausgestaltet, dass alle Vorgaben erfüllt würden. Nach derzeitigem Stand ergebe sich aus dem Urteil kein Änderungsbedarf für Baden-Württemberg.
Neun Abschiebehäftlinge im Hungerstreik
Laut Muhammed Tunç sollen sich seit Freitag neun Menschen, die in Pforzheim in Abschiebehaft sitzen, im Hungerstreik befinden. „Weil fast alle hier, wie bei mir, zum Teil seit mehreren Wochen hingehalten werden und sich in Ihren Verfahren nichts bewegt.“ Das frustriere viele der Insassen und heize die Stimmung an. „Um gegen dieses Hinhalten zu protestieren, sind diese Menschen in den Hungerstreik getreten. Das Urteil des EuGHs bestätigt sie in ihrem Protest“, schreibt Tunç. Und er warnt: Unter diesen Bedingungen sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Geduldsfäden reißen und die Nerven blank liegen.