In Istanbul ist Prozessauftakt im Verfahren gegen die inhaftierte Präsidentin der Ärztekammer in der Türkei (TTB), Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı, wegen „Propaganda für eine Terrororganisation“. Ihr drohen bis zu siebeneinhalb Jahren Haft. Die Forensikerin hatte eine unabhängige Untersuchung der türkischen Chemiewaffeneinsätze gegen die kurdische Guerilla gefordert und war daraufhin festgenommen und inhaftiert worden. Vor dem Gericht in Istanbul-Çağlayan versammelten sich viele Menschen zum Protest gegen das politische Verfahren. Die Ärztekammer hatte zur Solidarität mit Fincancı aufgerufen.

„Die TTB wird niemals schweigen“

Die Protestierenden wurden von einem massiven Polizeiaufgebot empfangen. Der Weg zum Gerichtsgebäude wurde mit Polizeifahrzeugen und Gefangenentransportern blockiert. An der Kundgebung nehmen Jurist:innen, Künstler:innen, Politiker:innen, Aktivistinnen der Frauenbewegung, Vertreter:innen von Nichtregierungsorganisationen und Berufsverbänden sowie Vertreter:innen internationaler Institutionen teil. Die Menschen riefen: „Şebnem Hoca ist unsere Ehre“, „Es lebe unser organisierter Kampf“, „Die TTB wird niemals schweigen“, „Wir sind Şebnem und Mücella, wir werden für die Wahrheit kämpfen“, „Ihr könnt die Wahrheit nicht verbergen“. Mit Mücella ist Ayşe Mücella Yapıcı aus dem Vorstand der Architektenkammer von Istanbul gemeint. Sie wurde im Rahmen des Gezi-Verfahrens zu 18 Jahren Haft verurteilt.

„Wir werden niemals aufgeben“

Emin Korkmaz, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Union der Kammern der Ingenieure und Architekten in der Türkei (TMMOB), erklärte in einer Rede, dass Şebnem Korur Fincancı im Rahmen ihrer Expertise eine Bewertung der chemischen Waffen vorgenommen habe und unrechtmäßig verhaftet worden sei. Korkmaz sagte: „Sie [der Staat] sollen wissen, dass wir unseren Kampf nicht aufgeben werden, egal wann sie uns angreifen.“ Şebnem Korur Fincancı, Mücella Yapıcı und die verhafteten TMMOB-Mitglieder müssten sofort freigelassen werden, forderte Korkmaz und betonte, dass die Angriffe vielschichtig seien: „Künstler:innen, Bürgermeister:innen und alle führenden Persönlichkeiten der Gesellschaft werden angegriffen. Wir sagen, dass wir gewinnen werden, wenn wir gemeinsam kämpfen.“

Ali Ihsan Ökten, 2. Vorsitzender der TTB, trug eine Erklärung vor: „Wir hoffen, dass dieser Prozess, der rein politisch motiviert ist und einen eklatanten Rechtsbruch darstellt, heute beendet werden kann. Wir sind hier gemeinsam als TTB und erwarten die sofortige Freilassung von Şebnem Korur Fincancı und ihren Freispruch am ersten Verhandlungstag.“