Massenhafter Datentransfer an Türkei

Nach dem Besuch des Generalbundesanwalts Peter Frank in der Türkei mauert die Bundesregierung, was den Inhalt der Gespräche betrifft. Deutsche Behörden schicken große Datenmengen über türkische Staatsangehörige an das Regime in Ankara.

Anfang Juli besuchte der Generalbundesanwalt Peter Frank die Türkei. Auf Einladung des türkischen Generalstaatsanwalts Bekir Şahin kam Frank mit dem Regimechef Recep Tayyip Erdoğan, dem Generalstaatsanwalt selbst, dem Präsidenten des türkischen Kassationsgerichtshofs, Mehmet Akarca, und Justizminister Bekir Bozdağ zusammen. Der geheim gehaltene Freundschaftsbesuch bei diesen für die gnadenlose Verfolgung jeglicher Opposition verantwortlichen Funktionären und dem türkischen Diktator erfolgte direkt, nachdem Erdoğan seine Blockadehaltung zum NATO-Beitritt Finnlands vorerst aufgegeben hatte. Der von der Frankfurter Rundschau öffentlich gemachte Besuch hatte insbesondere auch aufgrund des Zeitpunkts Anlass zu Spekulationen bezüglich des Inhalts der Gespräche gegeben.

Bundesregierung schweigt zum Inhalt des Treffens

Die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Gökay Akbulut, befragte daher die Bundesregierung. Diese mauerte, was den Inhalt der Treffens betrifft, und erklärte, es seien keine „konkreten Strafverfahren“ besprochen worden; die Bundesregierung äußere sich grundsätzlich nicht zu Inhalten von „vertraulichen Treffen mit internationalen Gesprächspartnern“.

Fast 70.000 Strafnachrichten an Türkei übermittelt

Dennoch sind aus der Antwort der Bundesregierung einige erschreckende Fakten über die Zusammenarbeit mit dem Regime in Ankara deutlich geworden. So wurde deutlich, dass die Bundesregierung sämtliche Verurteilungen türkischer Staatsangehöriger in Deutschland an das türkische Justizministerium weiterleitet. Dabei handelt es sich um zehntausende Datensätze, Tendenz steigend. So wurden im Jahr 2017 47.779 sogenannte Strafnachrichten an die Türkei übermittelt, im Jahr 2019 waren es dann schon 57.531 und im Jahr 2021 69.790.

Die Bundesregierung sieht keinerlei Handlungsbedarf im Hinblick auf den Schutz der Betroffenen im Falle einer Einreise in die Türkei. Dies gelte insbesondere für Menschen, die wegen Verstoß gegen das Vereinsgesetz (PKK-Verbot) verurteilt wurden, da ja nur der allgemeine Straftatbestand und nicht der „Verein“ in den Bögen eingetragen sei. Damit missachtet die Bundesregierung die Tatsache, dass es sich bei fast allen Verurteilungen wegen „Verstößen gegen das Vereinsgesetz“ in Deutschland um Repressalien vor dem Hintergrund des PKK-Verbots handelt. Diese Tatsache dürfte dem AKP/MHP-Regime mehr als bewusst sein. Die Verfolgung der Betroffenen scheint die Bundesregierung wenig zu interessieren, so lägen ihr in dieser Hinsicht „keine Erkenntnisse“ vor. Türkische Staatsangehörige werden regelmäßig bei der Einreise aus Deutschland festgenommen. Ob dabei auch die Strafnachrichten eine Rolle spielen, will die Bundesregierung offensichtlich nicht preisgeben.

Mindestens 48 Auslieferungsersuchen durch die Türkei

Konfrontiert mit den Zahlen der Zeitung „Yeni Şafak“, wonach dem Generalbundesanwalt eine Liste von 129 Personen mit der Forderung nach Auslieferung übergeben worden sei, antwortet die Bundesregierung ausweichend und erklärt, es läge noch keine Auslieferungsstatistik für das Jahr 2022 vor, mit Stand 19. Juli sei allerdings die Zahl 48 ermittelt worden. Die Bundesregierung habe aber keine Kenntnisse über die Vorwürfe gegenüber den Personen, deren Auslieferung beantragt wurde.