Lüneburg: Prozess gegen Antifaschisten wegen „Bijî Serok Apo“

Am Donnerstag wird in Lüneburg gegen den Antifaschisten Olaf Meyer verhandelt. Er soll als Anmelder einer Demonstration im Rahmen des „Meşa Dirêj“ durch das Rufen der Parole „Bijî Serok Apo!“ gegen das Versammlungsgesetz verstoßen haben.

Kommenden Donnerstag findet in Lüneburg eine Gerichtsverhandlung in einer Bußgeldsache wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz gegen den Antifaschisten Olaf Meyer statt. „Er steht stellvertretend für die Lüneburger antifaschistische und internationalistische Bewegung vor Gericht. An ihm wird ein Exempel statuiert und das Recht auf Versammlungsfreiheit soll in Lüneburg immer weiter eingeschränkt werden“, erklärt die Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen.

Hintergrund ist, dass die Hansestadt Lüneburg im Oktober letzten Jahres ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Meyer eingeleitet hat. Er soll als Anmelder der Demonstration „Antifa Enternasyonal! Gemeinsam gegen Faschismus und Krieg!“, die am 9. September 2020 im Rahmen des Langen Marsches (Meşa Dirêj) der kurdischen und internationalistischen Jugend in Lüneburg stattfand, gegen eine Beschränkung des Bescheids zur Demonstration verstoßen haben, nach der das Rufen der Parole „Bijî Serok Apo!“ untersagt war. Im Vorwurf der Hansestadt Lüneburg heißt es dazu: „[…] indem Sie in Ihrer Rede die Parole „Biji Serok Apo“ deutlich über Mikrofon aussprachen. Dies konnte durch die eingesetzten Beamten vernommen werden. Nachdem Sie durch einen Beamten aufgefordert wurden, dies zu unterlassen, wiesen Sie in ihrer Rede darauf hin, dass der Ausruf „Biji Serok Apo“ zu unterlassen sei. Diesen Aufruf riefen Sie so provokativ und lautstark aus, dass hier ein weiterer Verstoß festzustellen war, da die Demonstrationsteilnehmer dies mit starkem Beifall quittierten.“

Bijî Azadi! Es lebe die Freiheit!

In der von Olaf Meyer gehaltenen Rede auf der Auftaktkundgebung kam das Wort „Serok“ allerdings überhaupt nicht vor. Dass er den Ausruf mehrmals vor und nach seiner Rede verwenden musste, lag ausschließlich an der Polizei.

Zum einen musste Meyer als Versammlungsleiter zu Beginn die diversen Auflagen den Teilnehmenden der Demonstratuon kundtun. Dies zu tun ist ausdrücklich im Versammlungsgesetz und dem Bescheid der Hansestadt Lüneburg festgelegt. So wurde auch die Beschränkung Nr. 7 verlesen. Sie lautete folgendermaßen: „Die Versammlungsleiterin/ der Versammlungsleiter hat zu Beginn der o.g. versammlungsrechtlichen Aktion auf die in der Begründung genannten Organisationen, die mit Betätigungs- und Vereinsverbot belegt sind, hinzuweisen und während der Veranstaltung das Zeigen / Hochhalten der Kennzeichen dieser Organisationen, insbesondere auch der Bildnisse von A. Öcalan, sowie jegliche Unterstützungshandlungen für diese Organisationen zu unterbinden. Das Ausrufen von Parolen, insbesondere „Biji Serok Apo“ und „Biji PKK“, zur Unterstützung der genannten Organisationen ist untersagt. [...]“.

Zum anderen wurde Meyer nach seinem Redebeitrag und während der Demonstration mehrmals durch einen Polizeibeamten, der als Kontaktbeamter der Einsatzleitung fungierte, darauf hingewiesen, dass die Verwendung der Worte „Bijî Serok Apo“ untersagt sei und die Versammlungsteilnehmer:innen darüber in Kenntnis gesetzt werden sollen. Dies tat der Antifaschist dann auch mittels der Lautsprecheranlage. Hier wurden also auf Aufforderung der Polizei die Pflichten als Versammlungsleiter erfüllt. Das dies „provokativ und lautstark“ gewesen sein soll, ist reine Interpretation der Polizei.

In seinem Redebeitrag hatte Olaf Meyer unter anderem gesagt: „Für einen Frieden – nicht nur – in Kurdistan hat Abdullah Öcalan Lösungsansätze formuliert. Wir fordern seine Freilassung und grüßen ihn von hier sehr herzlich! Bijî Rêber Apo!“. Zum Ende hieß es: „Erkämpfen wir gemeinsam seine Freiheit, für ein freies Leben für alle! Bi hev re Serhildan! Zusammen zum Aufstand! Bijî Azadi! Es lebe die Freiheit! Bijî Rêber Apo!“.

„Bijî Serok Apo“ ist eine ältere kurdische Parole und bedeutet „Es lebe der Vorsitzende Apo!“, womit der seit 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierte Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung, Abdullah Öcalan, gemeint ist. In den letzten Jahren setzte sich die Parole „Bijî Rêber Apo!“ immer mehr durch, wobei die Bezeichnung „Rêber“ im Zusammenhang mit dem Repräsentanten der kurdischen Freiheitsbewegung als „Wegweiser“ oder „der den Weg eröffnete oder weist“ zu verstehen ist. „Hier wird die besondere Rolle Abdullah Öcalan deutlich, der wie niemand anderes für den progressiven und emanzipatorischen Befreiungs- und Friedensprozess der Kurd:innen steht. Seine Initiativen haben eine Perspektive für Kurdistan eröffnet. Gegen die Finsternis im Mittleren Osten und die Kriege auf der Welt, hat Abdullah Öcalan eine Lösung entwickelt. Das von ihm geschaffene Paradigma des Demokratischen Konföderalismus ist ein Gesellschaftsmodell für das freie Zusammenleben aller gesellschaftlichen Gruppen. Die kurdische Freiheitsbewegung verkörpert heute mehr denn je den gelebten Beweis, dass eine Gesellschaft beruhend auf den Prinzipien der direkten Demokratie, der Frauenbefreiung, der Ökologie und dezentralen, kommunalen Organisierung keine Utopie darstellen muss, sondern ganz real möglich ist. Aus einem revolutionären Prozess ist in den letzten zehn Jahren eine Revolution geworden. Eine Revolution, die Inspiration, Bezugspunkt und Hoffnung für viele Menschen auf dieser Erde ist“, formuliert es die Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen treffend.

Die Verwendung dieser beiden Parolen ist in Deutschland durchaus legal, wenn sie nicht im Sinne der Unterstützung von verbotenen Organisationen verwendet werden, sondern als Ausdruck der Wertschätzung der friedenspolitischen Initiativen von Abdullah Öcalan und aus Sorge wegen dem anhaltend schlechten Gesundheitszustand und der Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali.

Lüneburger Verhältnisse …

Mit diesem Bußgeldverfahren, welches nach einem Einspruch durch Olaf Meyer nun vor dem Amtsgericht Lüneburg verhandelt werden muss, wird zum einen die Kriminalisierungskampagne gegen Aktivitäten und Verlautbarungen zum kurdischen Freiheitskampf weitergeführt. Zum anderen stellt es eine Fortführung der jahrelangen Kriminalisierungskampagne gegen Olaf Meyer und Antifa-Strukturen in Lüneburg dar.

Warum das so ist, erklärt die Antifaschistische Aktion: Am 26. November 1993 hat der damalige Bundesminister des Innern, Manfred Kanther, das Betätigungsverbot gegen die „Arbeiterpartei Kurdistans“ PKK verhängt. Es folgte eine Welle der Kriminalisierung gegen Kurd:innen mit Ausgrenzung aus dem sozialen und politischen Leben. Aktuell befinden sich, legitimiert durch den Paragraphen 129b (StGB), mehrere kurdische Aktivisten, deren Engagement ausschließlich einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage und der Etablierung einer Demokratiekultur galt, als politische Gefangene in deutschen Haftanstalten. Die Kriminalisierung von Kurd:innen in Deutschland wird immer weiter fortgesetzt. Durchsuchungen von Privatwohnungen, Vereinen, Beschlagnahmungen und Inhaftierungen waren und sind immer wieder an der Tagesordnung. In Lüneburg wurde zuletzt versucht die Antifa-Enternasyonal-Fahne zu verbieten. Jetzt werden in Lüneburg sogar Handlungen, die auf Aufforderung der Polizei und im Rahmen des Versammlungsgesetz stattfanden, dazu genutzt ein weiteres Verfahren zu führen. Das Bußgeldverfahren der Hansestadt Lüneburg stellt auch einen Angriff auf das Versammlungsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung dar.

Diverse Bußgeldverfahren gegen Olaf Meyer

In den letzten Jahren hat die Hansestadt Lüneburg diverse Bußgeldverfahren gegen Olaf Meyer eingeleitet – zumeist wegen angeblichen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. „Mit Anzeigen und windigen Konstrukten der Polizei und der ungeprüften Wiedergabe durch das Rechtsamt der Hansestadt sollen Versammlungen unterbunden werden und die Tätigkeiten des Antifaschisten als häufiger Anmelder und Versammlungsleiter in Lüneburg kriminalisiert werden. Mal werden Proteste gegen AfD, die rechten Querdenker:innen und andere Faschist:innen zum Anlass genommen, ein anderes Mal Proteste gegen den ‚Volkstrauertag‘. In den letzten drei Jahren musste Olaf Meyer drei Bußgelder in Höhe von über 1.700 Euro an die Stadtkasse überweisen“, heißt es.

Neben dem Verfahren, das am 7. Oktober 2021 verhandelt wird, stehen noch mindestens zwei weitere aus. Am 24. Oktober vergangenes Jahres 2020 soll Olaf Meyer die antifaschistischen Proteste gegen einen Aufmarsch der „Querdenker:innen“ und Coronaleugner:innen initiiert und geleitet haben. Am 7. August soll er gegen Versammlungsauflagen verstoßen haben, als sich bei einer antifaschistischen Kundgebung gegen die AfD in Lüneburg-Kaltenmoor gegen Störungen seitens der Rechten und eine antisemitische Provokation gewehrt wurde.

„Ziel dieser Bußgeldkampagne ist es, dass in Lüneburg keine antifaschistischen Veranstaltungen mehr stattfinden und stellvertretend für viele, einzelne Aktivist:innen zermürbt und kriminalisiert werden sollen“, glaubt die Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen. Die Antwort auf die Kriminalisierung und den Prozess sei die Solidarität mit Olaf Meyer und die Forderung, dass die Hansestadt Lüneburg ihre Kriminalisierungskampagne beendet.

Der Prozess findet statt am Donnerstag, 7. Oktober 2021, um 13.30 Uhr im Amtsgericht Lüneburg, Saal 125. Für den Prozess, die Bußgelder und anstehenden Verfahren wird viel Geld benötigt.

Solidaritätskonto:

Solidarität (Kontoinhaber*in)

Volksbank Lüneburger Heide

IBAN: DE90 2406 0300 0125 3816 00

Stichwort: „Bußgeldverfahren Olaf“ (bitte angeben)

(AA LG-UE/ANF)