In Hannover fand am Sonnabend eine Kundgebung unter dem Motto „Say Their Names – Show Their Pictures!“ gegen das Verschwindenlassen politischer Aktivist:innen statt. Trotz Verbotsversuch von Seiten der Polizei konnten Bilder Abdullah Öcalans gezeigt werden.
Die hannoverschen Ortsgruppen der Interventionistischen Linken (iL) und der Roten Hilfe hatten gemeinsam zu der Versammlung auf dem Bahnhofvorplatz aufgerufen. Diesem Aufruf folgten trotz großer Hitze und regionaler Mobilisierung antifaschistischer Gruppen gegen eine rechte Veranstaltung nach Eschede bei Celle knapp 100 Teilnehmer:innen.
Bewusst die Namen von politischen Gefangenen und Ermordeten nennen
Den Veranstalter:innen war es ein Anliegen, gegen das Verschwindenlassen von politischen Aktivist:innen zu protestieren und gegen diese staatliche Praxis ganz bewusst die Namen von politischen Gefangenen und Ermordeten zu nennen und ihre Bilder zu zeigen. In ihrem Aufruf und einer Presseerklärung im Vorfeld erklärten sie, dass der Anschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau ihnen vor Augen geführt habe, wie wichtig das Nennen der Namen und das Zeigen der Bilder von Betroffenen staatlicher und rechter Gewalt sind: „Wenn wir eines gelernt haben, dann dies: Die Menschen, ihre Namen und ihre Bilder sind konkret. Sie sind gerade im Zusammenhang mit dieser Kundgebung nicht ersetzbar und nicht austauschbar.“
Im Vorfeld der Versammlung hatte die Polizeidirektion Hannover nämlich versucht, das Zeigen von Bildern Abdullah Öcalans durch entsprechende Versammlungsauflagen zu verbieten. Das Verwaltungsgericht Hannover entschied am gestrigen Freitag in einer Eilentscheidung, dass dieses Verbot offensichtlich rechtswidrig war und die Fahnen und Bilder Öcalans gezeigt werden dürften, solange ein PKK-Bezug unterbliebe und die Versammlung kein anderes „Gesamtgepräge“ annähme, als von den Veranstalter:innen angezeigt.
Zur Argumentation der Polizei hinter ihrem gescheiterten Versuch sagte ein Redner in seinem Beitrag: „Auch die Verbote der deutschen Polizei zielen darauf ab, Abdullah Öcalan verschwinden zu lassen, ihn im wahrsten Sinne des Wortes unsichtbar zu machen. Die Polizei argumentiert, man könne ja auch für ihn demonstrieren, ohne sein Bild zu zeigen. Und wenn dann das Verbot der Bilder in einen politischen Kontext zum Kurdistan-Konflikt oder zum PKK-Verbot gesetzt wird, unterstütze man automatisch die PKK. Wie zynisch ist das bitte?!“
Gedenken an Deniz Poyraz
Um der Politik des Verschwindenlassens entgegenzutreten, wurden die Bilder von Nelson Mandela, Sakine Cansιz, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez, Sepideh Gholian, Angela Davis, Tamara Bunke und Abdullah Öcalan gezeigt. Jeweils ein Redebeitrag bezog sich auf die jeweiligen Personen, die zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Bewegungen auf der Welt beteiligt waren oder sind und entweder aus politischen Gründen inhaftiert oder ermordet wurden. Nach jedem Redebeitrag wurde ein Lied aus den entsprechenden Kämpfen gespielt.
Zu Beginn der Kundgebung war Deniz Poyraz und all denjenigen gedacht worden, die ihr Leben im Kampf um gesellschaftliche Befreiung verloren haben. Die 38-jährige HDPlerin war vor zwei Tagen von einem Faschisten im westtürkischen Izmir ermordet worden. Auch sie gehörte also zu denjenigen, die verschwinden sollen, weshalb auch ihre Bilder gezeigt wurden.
Seit der Kundgebung, die anlässlich des Aufenthalts der mobilen Bibliothek mit den Werken Abdullah Öcalans im Herbst 2017 in Hannover stattfand, war es das erste Mal, dass wieder Bilder und Fahnen mit seinem Gesicht gezeigt werden konnten. Damals hatte die Polizei die Kundgebung vor dem Hauptbahnhof mit Pfefferspray und Faustschlägen angegriffen und das Konterfei Abdullah Öcalans, mit dem der große Reisebus der Bibliothek beklebt war, abgerissen und dabei zerstört.
Ähnlicher Umgang der Polizei mit Fahne von ermordeten Revolutionärinnen
Ähnlich ist der Umgang der Polizei Hannover mit der Fahne, die die drei 2013 in Paris ermordeten Aktivistinnen, Sakine Cansιz, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez, zeigt. Immer wieder wird diese Fahne verboten, weil die Polizei in ihr ein Symbol für die PKK erkennen will. Die Rednerin, die zu den drei Aktivistinnen sprach, stellte diesbezüglich klar: „Die kurdische Frauenbewegung und solidarische Gruppen werden diesen Mord und die drei Genossinnen nie vergessen. Wir haben vor ihrer Ermordung gemeinsam mit ihnen demonstriert – für Frauenbefreiung, für Frieden im Mittleren Osten, für ein freies Kurdistan. Das sage ich nicht nur so daher, das meine ich genau so. Sakine Cansιz und Leyla Şaylemez sind auch in Hannover und Celle gewesen und haben hier Politik gemacht. Weil viele von uns Leyla Şaylemez besser unter ihrem Namen Ronahî kannten, heißt der kurdische Frauenrat in Hannover Ronahî. Weil die Polizei Hannover uns immer wieder verbietet, die Fahnen mit den drei Freundinnen zu zeigen, wurde an eine Wand des Jugendzentrums Kornstraße in der Nordstadt ihr Bild gemalt. Wir werden sie nie vergessen, wir tragen sie in unseren Herzen und wir zeigen heute ihre Bilder.“
Wichtiger Erfolg gegen Verfolgungs- und Verbotseifer der Polizei Hannover
Die heutige Kundgebung kann als wichtiger Erfolg derjenigen bezeichnet werden, die sich gegen den Verfolgungs- und Verbotseifer der Polizei Hannover im Bezug auf Bilder kurdischer Aktivist:innen wehren und dabei Brücken zu anderen internationalistischen Bewegungen und Kämpfen schlagen. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass das Thema in Zukunft zu weiteren politischen und juristischen Auseinandersetzungen führen wird.