Straßenumbenennung in Gedenken an Opfer von Hanau

In Braunschweig sind im Gedenken an die Toten von Hanau mehrere Straßen und Plätze nach den Opfern des rassistischen Terroranschlags umbenannt worden. Die Polizei zeigte hohes Engagement im Stören und Verhindern der Gedenkaktion.

Mit dem 19. Februar jährt sich zum ersten Mal der rassistische Terroranschlag von Hanau. An diesem Mittwoch im Jahr 2020 wurden Gökhan Gültekin (37), Sedat Gürbüz (30), Said Nesar Hashemi (21), Mercedes Kierpacz (35), Hamza Kurtović (22), Vili Viorel Păun (23), Fatih Saraçoğlu (34), Ferhat Unvar (22) und Kaloyan Velkov (33) von einem fanatischen Attentäter aus rassistischen Motiven ermordet. Auch seine Mutter, die 72jährige Gabriele R., wurde von ihm ermordet.

Um der Ermordeten zu gedenken und die Verhältnisse, die zu diesem Anschlag geführt haben, in den Blick zu nehmen, haben Aktivist*innen der Initiativen FrauenLesben-Gruppe Zami, Freund*innen der kurdischen Freiheitsbewegung, In/Progress und Sozialistische Jugend-Die Falken in Braunschweig für jede*n der Ermordeten eine Straße beziehungsweise einen Platz symbolisch nach ihnen umbenannt. Damit wurde eine Idee der Bildungsinitiative Ferhat Unvar aufgegriffen, die hierzu aufgerufen hatte. Explizit wurden auch solche Straßen ausgewählt, die immer noch nach Profiteuren des deutschen Kolonialismus benannt sind und den herrschenden Rassismus in einen historischen Zusammenhang stellen, so die beteiligten Aktivist*innen.

Hanau geschah nicht in einem luftleeren Raum

In einer gemeinsamen Stellungnahme der Braunschweiger Gruppen heißt es: „Der rassistische Terroranschlag von Hanau kam nicht überraschend oder geschah in einem luftleeren Raum, sondern reiht sich ein in eine Serie von Anschlägen, die selbst nur den mörderischen Ausdruck des alltäglichen und institutionalisierten Rassismus darstellen. So strotzte eine Erklärung des Attentäters nur so von rassistischen, verschwörungsideologischen und frauenfeindlichen Ideologieanleihen, die in ähnlicher Form auch bis weit in die selbsternannte bürgerliche Mitte vertreten werden.

Brennende Autos ernsteres Problem als Morde durch fanatisierte Rassisten?

Der Terror des NSU, die Anschläge in Halle und Hanau selbst, sind dabei die jüngsten Beispiele rassistischer Attentate, die das konsequente Ergebnis dieser Gesellschaft darstellen. Eine Gesellschaft, die in brennenden Autos ein ernsteres Problem sieht, als in Morden durch fanatisierte Anhänger*innen einer rassistischen Ideologie weißer Überlegenheit oder dem mörderischen Abschotten eines Wohlstandseuropas gegen die selbst verursachten Fluchtbewegungen. Auch das zunehmende Organisieren von nicht unerheblichen Teilen in Polizei, Militär und Geheimdiensten als bewaffnete Zellen wird nur achselzuckend zur Kenntnis genommen.

Anfeindungen, Bedrohungen, Übergriffe bis hin zum Mord finden in einer Gesellschaft statt, in der große Teile von Politik und Medien nicht in der Lage sind, die Taten als das zu benennen, was sie sind: rassistischer Terrorismus.

Theorie vom Einzeltäter verdeckt den strukturellen Rassismus

Stattdessen wird von ‚Fremdenfeindlichkeit’ geredet. Durch das Darstellen der Ermordeten als ‚Fremde’ wird ihren Angehörigen und all jenen, die wissen, dass auch sie damit gemeint sind, demonstriert, dass auch weit über die Kreise rassistischer Terrorzellen hinaus ein Konsens darüber herrscht, dass sie als nicht zugehörig zur deutschen Gesellschaft betrachtet werden. Auch das Reden über ‚Einzeltäter’, die dazu noch ‚psychisch gestört’ seien, verdeckt den strukturellen Rassismus der ihnen als Antrieb für ihre Taten diente.

Weder wird den Hinterbliebenen zugehört, die immer wieder auf die gesellschaftlichen Verhältnisse hingewiesen haben, die einem solchen Anschlag zugrunde liegen, noch erfahren weitere skandalöse Umstände die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Wie sich bspw. erst vor kurzem herausstellte, waren die Notausgänge einer Shisha-Bar auf Anweisung der Polizei abgeschlossen, damit die Gäste bei Polizeikontrollen nicht abhauen konnten.

Es liegt an uns, als Teile der fortschrittlichen Bewegungen hier und in der Welt, den Ermordeten zu Gedenken, ihren Angehörigen zuzuhören und ihnen Gehör zu verschaffen und den Blick auf die Verhältnisse zu richten, die den Boden bereiten, auf dem der rassistische Terror gedeihen kann.

Polizei verhindert Umbenennung für Ferhat Unvar

Leider konnten wir die Aktion nicht komplett abschließen, da die Braunschweiger Polizei beweisen musste, dass sie ein hohes Engagement im Stören und Verhindern antifaschistischer (Gedenk)Aktionen an den Tag legen kann. Im Gedenken an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov und allen anderen, die rassistischen und faschistischen Angriffen zum Opfer fielen.

Umbenannte Straßen und Plätze

1. Die Jasperallee ist jetzt Gökhan-Gültekin-Straße Hier geht es ausschließlich um den Teil der Jasperallee, an dem das Kolonialdenkmal liegt, da wir das Andenken an den im Konzentrationslager Bergen-Belsen durch Flecktyphus ums Leben gekommenen Sozialdemokraten nicht in Vergessenheit geraten lassen wollen. Das Stück der Allee zwischen der WilhelmBode-Straße und der Herzogin-Elisabeth-Straße und dem dort befindlichen „Kolonialdenkmal“ haben wir gewählt, da der deutsche Kolonialismus eine historische Linie und Grundlage des Rassismus bis heute darstellt.

2. Der Nibelungenplatz ist jetzt die Vili-Viorel-Păun-Straße.

3. Der Ackerhof ist jetzt die Said-Nesar-Hashemi-Straße.

4. Die Herrendorftweete ist jetzt die Kaloyan-Velkov-Straße.

5. Hinter der Magnikirche ist jetzt jetzt der Sedat-Gürbüz-Platz.

6. Der Albert-Voigts-Weg ist jetzt Mercedes-Kierpacz-Platz. Albert Voigts war Profiteur des deutschen Kolonialismus in „Deutsch-Südwestafrika“.

7. Die Jahnstraße ist jetzt die Hamza-Kurtovic-Straße.

8. Der Frankfurter Platz ist jetzt der Fatih-Saraçoğlu-Platz

9. Die Umbenennung einer Straße nach Ferhat Unvar wurde durch die Polizei verhindert.”