Lange Haftstrafen für Zwangsverheiratung von Sechsjähriger

2004 wurde in der Türkei ein sechsjähriges Mädchen mit dem Koranlehrer einer islamischen Sekte verheiratet - von ihrem eigenen Vater. Nun wurden beide Männer zu langen Haftstrafen verurteilt.

Vater und „Ehemann“ verurteilt

Die Zwangsverheiratung eines Mädchens in der Türkei mit sechs Jahren ließ nicht nur in dem Land die Wellen hochschlagen. Jetzt sind ihr Vater und der einstige „Ehemann“ zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Letzterer muss wegen wiederholten sexuellen Kindesmissbrauchs und sexueller Nötigung 36 Jahre ins Gefängnis, wie türkische Medien berichteten. Der Vater der heute 26-Jährigen wurde wegen wiederholten sexuellen Missbrauchs zu fast 19 Jahren verurteilt.

2004 habe Ziya Gümüşel, einflussreiches Mitglied der islamistischen Ismail-Ağa-Sekte und Gründer der AKP-nahen Hiranur-Stiftung, seine Tochter mit dem damals 29-jährigen Kadir Istekli islamisch getraut. Der Ordensmann arbeitete zu dem Zeitpunkt als Hodscha (Koranlehrer) in der stiftungseigenen Medrese. Als das Mädchen 14 Jahre alt war, wurde die „Hochzeit“ gefeiert. Ab dem Zeitpunkt lebte es mit Istekli unter einem Dach. Mit 17 wurde die Jugendliche schwanger und bekam einen Sohn. Als sie 18 Jahre alt war, wurde sie standesamtlich verheiratet.

Ende 2020 hatte das mittlerweile erwachsene Opfer Klage wegen Kindesmissbrauchs und erzwungener Heirat eingereicht. Dennoch wurde der Fall zwei Jahre lang von den Justizbehörden verschleppt. Erst als der Journalist Timur Soykan von der oppositionellen Zeitung „Birgün“ Ende 2022 an die Aussagen der Frau gelangte und den Skandal öffentlich machte, kam die Staatsanwaltschaft in die Gänge. 

Soykan befeuerte auch die Diskussion um den Einfluss islamischer Orden in der Türkei. Der Zeitung „Birgün“ zufolge war bereits im Jahr 2012 ein Arzt auf den Missbrauch aufmerksam geworden und habe die Behörden verständigt. Zu einer Strafverfolgung sei es aber nicht gekommen.

Erstes Urteil wegen niedriger Strafen aufgehoben

Ein erstes Urteil im Fall der Zwangsverheiratung der Frau war im Oktober vergangenen Jahres gefallen. Auf Anregung eines Istanbuler Gerichts wurde es allerdings revidiert worden. Die Strafkammer im anatolischen Teil der Metropole hatte argumentiert, die Strafen von 30 und 20 Jahren seien zu niedrig. Gegen die ebenfalls angeklagte flüchtige Mutter der Frau wurde Haftbefehl erlassen.