Der ehemalige Ko-Bürgermeister von Serê Kaniyê (tr. Ceylanpınar), Ismail Arslan (HDP), wurde am Mittwoch in Izmir festgenommen und im F-Typ-Gefängnis Kırklar inhaftiert. Gegen den kurdischen Politiker war ein Urteil des 6. Schwurgerichts in Riha (Urfa) wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ zu neun Jahren und drei Monaten Haft nach Bestätigung durch den Obersten Gerichtshof rechtskräftig geworden. In dem Urteil aus dem Jahr 2018 wird dem Politiker vorgeworfen, er habe sich im legalen, basisdemokratischen Bündnis „Demokratischer Gesellschaftskongress“ (KCD/DTK) engagiert.
Das KCD-Verfahren in Riha
Am 12. Dezember 2016 waren Festnahmeanordnungen gegen 284 Personen von der Staatsanwaltschaft in Riha ausgestellt worden. Etwa 80 der Festgenommenen wurden inhaftiert. Gegen 22 von ihnen wurde ein Verfahren wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ wegen ihrer Zugehörigkeit zum KCD eingeleitet. Die Angeklagten erhielten allesamt für ihr Engagement langjährige Haftstrafen.
EGMR: KCD ist legal
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat in ihrem Urteil vom 22. Dezember 2020 zu Selahattin Demirtaş nicht nur die Freilassung des früheren HDP-Vorsitzenden angeordnet, sondern das Verhältnis zwischen Politik und Justiz in der Türkei gründlich aufgearbeitet. Das Urteil zeigt auf, wie die politischen Entwicklungen der vergangenen vier bis fünf Jahre über die Justiz organisiert wurden, und bewertet die Verhaftungswelle vom 4. November 2016 gegen Politikerinnen und Politiker der HDP und ihrer Schwesterpartei DBP insgesamt. Das Urteil zeigt nicht nur auf, dass sie rechtswidrig verhaftet wurden, sondern insgesamt über die Justiz kriminalisiert werden. Zum KCD kommt das Straßburger Gericht zu dem Urteil, dass der zivilgesellschaftliche Zusammenschluss eine legale Organisation ist und die Betätigung für ihn kein Beweis für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation sein kann.
KCD-Vorsitzende zu 22 Jahren Haft verurteilt
Gegen Mitglieder und Delegierte des KCD kommt es seit mehr als einem Jahr zu Verhaftungen und Gerichtsverfahren. Zahlreiche Personen wurden bereits auf Grundlage von Aktivitäten für den Dachverband oder Besuchen von Veranstaltungen, die von den verschiedenen Komitees der Organisation ausgerichtet worden sind, zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Dabei ist der KCD auch in der Türkei weiterhin legal. Ein Verbotsverfahren wurde nicht eingeleitet, auch liegt kein Präsidialdekret vor.
Nur einen Tag vor dem EGMR-Urteil war Leyla Güven, die Ko-Vorsitzende des KCD, zu einer Haftstrafe in Höhe von 22 Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Der Justizskandal hatte nicht nur in Kurdistan und der Türkei hohe Wellen geschlagen.