Ayşe Gökkan: 30 Jahre Haft für Ausübung demokratischer Grundrechte

Aus der Urteilsbegründung im Verfahren gegen Ayşe Gökkan geht hervor, dass die kurdische Politikerin wegen Gebrauch ihres Grundrechts auf Meinungs- und Organisationsfreiheit zu 30 Jahren Haft verurteilt wurde.

Die Sprecherin der kurdischen Frauenbewegung TJA, Ayşe Gökkan, ist am 20. Oktober in Amed (tr. Diyarbakir) wegen „Leitung und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Hinzu kamen Strafen wegen „bewusster Unterstützung einer Terrororganisation“ und „Propaganda für eine Terrororganisation“. Nun wurde die Urteilsbegründung veröffentlicht. Das Urteil gegen Gökkan beruht auf Aussagen bei Pressekonferenzen, Reden, ihrer Arbeit im Demokratischen Gesellschaftskongress (KCD/DTK) und ihrer Mitgliedschaft im Kongress der freien Frauen (KJA) und im Frauenverein Rosa. Dabei handelt es sich um legale Vereinigungen und Aktivitäten.

Engagement gegen Männergewalt als Begründung für Urteil

Obwohl der Frauenverein Rosa weiterhin legal und öffentlich arbeitet, wurde die Hilfsorganisation gegen patriarchale Gewalt in der Urteilsbegründung als „illegal“ klassifiziert und Gökkan ihr Engagement im Verein zur Last gelegt. In der Urteilsbegründung heißt es, der Verein habe auf einer Kundgebung am 16. Mai 2020 gemeinsam mit der Frauenbewegung TJA einen Protest gegen eine Vollzugsreform des Erdoğan-Regimes, mit der zehntausende Gewalttäter entlassen wurden, und gegen Gewalt an Frauen in Yenişehir durchgeführt. Diese Kundgebung habe das Ziel verfolgt, „Propaganda für eine Terrororganisation“ zu machen. Extra aufgeführt wird, dass Frauen ein Transparent ausgerollt hätten, auf dem stand: „Erhebt euch gegen Männergewalt und staatliche Gewalt – passt auf euch selbst auf“. Gökkan habe auf der Kundgebung das Wort „Kurdistan“ gebraucht.

Schwere Straftaten“ mit Genehmigung des Gouverneurs

Außerdem wurde Gökkan die Teilnahme an einer Kundgebung zum von Leyla Güven begonnenen Massenhungerstreik zur Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan zur Last gelegt. Darüber hinaus habe Gökkan, als sie 2011 Bürgermeisterin von Nisêbîn war, Aktionen „für eine demokratische Lösung“ unterstützt. In diesem Verfahren war Gökkan erstinstanzlich freigesprochen worden. Auf Widerspruch der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren jedoch anschließend mit dem Hauptverfahren zusammengelegt. Gökkan hatte damals in ihrer Verteidigung erklärt, das bei der Aktion aufgestellt Friedenszelt sei mit Genehmigung des Gouverneurs und Landrats errichtet worden. Gouverneur und Landrat hätten sogar den Ort für das Zelt vorgeschlagen. Das Zelt wurde ebenfalls als Akt der „Terrorpropaganda“ gewertet. In der Urteilsbegründung stellte das Gericht fest, dass die Aktionen, an denen Gökkan teilgenommenen habe, „eine ernste Bedrohung für das demokratische Leben“ darstellten.