Istanbul: Protest gegen Verurteilung von Ayşe Gökkan

Die Verurteilung der TJA-Sprecherin Ayşe Gökkan zur dreißig Jahren Haft ist ein offenes Beispiel für das Feindstrafrecht in einem männlichen Justizsystem gegen politisch aktive Frauen in der Türkei, erklärt ein Istanbuler Frauenbündnis.

In Istanbul haben Frauen gegen die Verurteilung der kurdischen Aktivistin Ayşe Gökkan zu dreißig Jahren Freiheitsstrafe protestiert. „Ayşe Gökkan ist nicht allein!“, skandierten die Teilnehmerinnen der von einem hohen Polizeiaufgebot begleiteten Kundgebung vor der Süreyya-Oper in Kadiköy.

Aufgerufen zu der Protestaktion hatte das Bündnis „Frauen sind gemeinsam stark“. Ayşe Gökkan, Sprecherin der Frauenbewegung TJA (Tevgera Jinên Azad), ist am Mittwoch in Amed (tr. Diyarbakir) wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation – gemeint ist die PKK – zu dreißig Jahren Gefängnis verurteilt worden.

An der Aktion nahm eine Delegation sozialistischer Politikerinnen aus Schweden, Dänemark und Norwegen teil, auch die Istanbuler HDP-Vorsitzende Elif Bulut und Vertreterinnen verschiedener Frauenorganisationen waren präsent. Mitglieder der Friedensmütter-Initiative standen mit Fotos von Ayşe Gökkan in den vordersten Reihen. Auf einem Transparent stand: „Unser Frauenkampf kann nicht vor Gericht gestellt werden!“

Feindstrafrecht in einem männlichen Justizsystem

Im Namen des Bündnisses erklärte Ezgi Karakuş, dass die TJA-Sprecherin Ayşe Gökkan verurteilt worden ist, weil sie ihren Kampf als Frau und Kurdin nicht aufgegeben hat. Die Aktivistin wies auf die Rechtswidrigkeit des Verfahrens hin und sagte: „Deshalb hat uns das Urteil am Mittwoch auch nicht überrascht.“ Die Verurteilung sei ein offenes Beispiel für das „Feindstrafrecht in einem männlichen Justizsystem, denn der Männerstaat hält eine höhere Strafe als lebenslänglich für erforderlich, wenn man ihm widerspricht“.

In der Erklärung wurde daran erinnert, dass Ayşe Gökkan 83 Mal festgenommen und immer wieder verhaftet worden ist. Trotzdem sei sie im Frauenkampf nicht zurückgewichen und habe sich nicht zum Schweigen bringen lassen. „Es ist nicht der erste Angriff auf den organisierten Kampf kurdischer Frauen und insgesamt der Frauenbewegung in diesem Land, in dem sich Mörder und Vergewaltiger wie Musa Orhan frei bewegen können“, stellte das Frauenbündnis fest. Das Urteil reihe sich ein in die Einsetzung von Zwangsverwaltern, die Kriminalisierung der genderparitätischen Doppelspitze, die Schließung von Frauenzentren, die Verhaftung von Politikerinnen und Aktivistinnen sowie die Rechtsverstöße in den Gefängnissen.

„Als Frauen wissen wir, dass keine von uns in Sicherheit ist, wenn eine von uns zum Schweigen gebracht und weggesperrt wird. Wir sind weiterhin auf den Beinen, weil es Frauen wie Ayşe gibt, die den Kampf trotz Repression fortsetzen. Wir geben uns gegenseitig Kraft und wir sind davon überzeugt, dass die für dieses Urteil Verantwortlichen gehen werden, Ayşe Gökkan und alle unsere Weggefährtinnen in den Gefängnissen werden freikommen. Gemeinsam schweigen wir nicht zu der Unterdrückung, den Verhaftungen, der Kriegspolitik und den rechtswidrigen Strafen. Wir fürchten uns nicht und wir gehorchen nicht.“

Die Kundgebung endete mit der Parole „Jin, Jiyan, Azadî!“ (Frauen, Leben, Freiheit).