Politisches Mammutverfahren in der Türkei
Im sogenannten Kobanê-Verfahren gegen den ehemaligen HDP-Vorstand und weitere Angeklagte in Ankara hat das Gericht eine Freilassung der inhaftierten Politikerinnen und Politiker abgelehnt. Die Verhandlung wurde für die Schlussworte der Angeklagten und die Urteilsverkündung auf den 16. Mai vertagt.
Angeklagt in dem Mammutverfahren sind insgesamt 108 Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und kurdischer Befreiungsbewegung, darunter der gesamte ehemalige Vorstand der HDP. Ihnen wird Mord in Dutzenden Fällen sowie „Aufwiegelung zum Aufstand“ und „Spaltung der Einheit und Integrität des Landes“ im Zusammenhang mit Protesten zwischen dem 6. und 8. Oktober 2014 gegen den Angriff der islamistischen Terrororganisation IS auf Kobanê vorgeworfen. Die Anklage stützt sich auf eine von der HDP am 6. Oktober 2014 gepostete Twitter-Nachricht. Darin wurde zu demokratischen Protesten in Solidarität mit der Bevölkerung von Kobanê in Nordsyrien aufgerufen. Die Generalstaatsanwaltschaft fordert erschwerte lebenslange Haftstrafen ohne Aussicht auf Entlassung.
Seit über sieben Jahren in Untersuchungshaft
Vor der heutigen Verhandlung haben die DEM-Partei, der Gewerkschaftsverband KESK und der Menschenrechtsverein IHD die Freilassung der inhaftierten Politikerinnen und Politiker gefordert. Viele der Angeklagten sind seit November 2016 im Gefängnis. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stuft ihre Verhaftung als politisch motiviert ein und hat mehrmals ihre Freilassung angeordnet. Das Ministerkomitee des Europarates hat zuletzt im März die Freilassung der ehemaligen HDP-Abgeordneten gefordert. Die Türkei ignoriert diese Entscheidungen.
Bei den inhaftierten Angeklagten handelt es sich um die ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ sowie um Gültan Kışanak, Sebahat Tuncel, Alp Altınörs, Ayka Akat Ata, Ali Ürküt, Ayşe Yağcı, Bülent Barmaksız, Dilek Yağcı, Günay Kubilay, İsmail Şengül, Meryem Adıbelli, Nazmi Gür, Pervin Oduncu, Zeynep Karaman, Aynur Aşan und Zeynep Ölbeci.