Seit Tagen finden schwere Luftangriffe der Türkei gegen die Autonomieregion Nord- und Ostsyrien und insbesondere die zivile Infrastruktur von Rojava statt. Mindestens elf Menschen, darunter Zivilpersonen, wurden nach Behördenangaben bislang getötet, die Zahl der Verletzten liegt etwa gleich hoch. Während sich weltweit Proteste zu formieren beginnen, äußerte sich am Donnerstag auch die Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) mit einer Erklärung zu den Attacken:
„Niemand darf angesichts dieser Verbrechen schweigen“
„Seit mehreren Tagen drohen Vertreter der türkischen Regierung, insbesondere der faschistische Regimechef Tayyip Erdoğan, wiederholt mit Angriffen und Massakern gegen Rojava und seine Bevölkerung. Seit Donnerstag (5. Oktober) finden umfangreiche Angriffe auf Rojava sowie Nord- und Ostsyrien statt. Bei diesen Angriffen wurden sowohl die Zivilbevölkerung als auch die zivile Infrastruktur angegriffen. Berichten zufolge sind viele Menschen getötet und verwundet worden. Staudämme, Institutionen, Geschäfte und Arbeitsplätze wurden von Kampfflugzeugen bombardiert. Wir verurteilen diese inhumanen Angriffe des türkischen Staates aufs Schärfste. Wir rufen alle dazu auf, diese Angriffe gemeinsam zu verurteilen und Stellung zu beziehen. Hinter diesen Angriffen steckt eine genozidale Haltung. Diese Angriffe sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Niemand darf angesichts solcher Verbrechen schweigen.
„Die Aktion von Ankara hat dem Faschismus die Maske vom Gesicht gerissen“
Der Kurdenhass ist im türkischen Staat und in der AKP/MHP-Regierung zu einem Instinkt geworden. Dieser Instinkt prägt die Perspektive der Regierung auf die Welt. Sie greift überall dort an, wo es Fortschritte im Sinne der kurdischen Identität gibt, ohne Rücksicht auf Grenzen, Regeln oder Gesetze zu nehmen. Dieser Staat ist definitiv krank. Tayyip Erdoğan ist durch Kurdenfeindschaft vergiftet, und diese Angriffe sind nichts anderes als Ausdruck dessen. Da die demokratische Politik und die öffentliche Meinung in der Türkei unter großem Druck stehen und Intellektuelle, Künstler:innen und Journalist:innen, die die Missstände kritisieren und die Wahrheit aufzudecken versuchen, verhaftet und zum Schweigen gebracht wurden, wird den Menschen in der Türkei das faschistische Denken und die Politik des AKP/MHP-Regimes als einzige Wahrheit präsentiert. Alle, die dies in Frage stellen, werden sofort verfolgt, verhaftet und zum Schweigen gebracht. Das geschieht 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Gleichzeitig werden kriegstreiberische Claqueure des Faschismus von Fernsehsendung zu Fernsehsendung gereicht. So glaubt man, der Gesellschaft den Faschismus aufzwingen und ein auf Lügen basierendes System der Unterdrückung errichten zu können. Aber wie man sieht, hat die Aktion in Ankara dem AKP/MHP-Regime und denjenigen, die versuchen, der türkischen Gesellschaft den Faschismus aufzuzwingen, indem sie rund um die Uhr Kriegshetze betreiben, die Maske vom Gesicht gerissen und ihre Lügen entlarvt. Die Reaktionen auf die Aktion sind so heftig, weil sie die auf Lügen aufgebaute Ordnung zerstört haben. In Wirklichkeit hat der Krieg keine einzige Sekunde lang aufgehört. Es ist die AKP/MHP-Regierung, die diesen Krieg erzwungen hat. Es ist der türkische Staat, der sagt, dass er alles durch Krieg lösen wird. Es ist der Staat, der sich damit brüstet, wie viele Kurdinnen und Kurden er an jedem Tag tötet. Das kurdische Volk verteidigt sich und wehrt sich gegen einen Völkermord. Das kurdische Volk kapituliert nicht vor Faschismus, Genozid und Kolonialismus. Es wehrt sich und schützt seine Existenz unter allen Umständen.
„Der türkische Staat ist zu Massaker und Vertreibung entschlossen“
Die Angriffe auf Rojava mit der Aktion in Ankara zu begründen, ist eine völlige Verzerrung der Tatsachen und eine billige Ausrede. Der türkische Staat ist entschlossen, in Rojava einzumarschieren und das kurdische Volk durch Massaker und Vertreibung aus der Region zu entfernen, damit sie keine Heimat mehr für Kurd:innen ist. Der türkische Staat und die AKP/MHP-Regierung haben diese Entscheidung getroffen. Erst vor wenigen Tagen hat der faschistische Staatschef Tayyip Erdoğan dies deutlich gemacht, indem er erklärte, ein Einmarsch in Rojava sei nur eine Frage der Vorbereitung, des Zeitpunkts und der Situation. Diese Angriffe sind Teil des antikurdischen Genozids. Das kurdische Volk und die Öffentlichkeit sind sich dieser Tatsache wohl bewusst.
„Die Angriffe sind auch eine Gewissensprobe“
Es ist ganz klar, dass die Welt angesichts der Angriffe des türkischen Staates gegen das kurdische Volk auf die Probe gestellt wird. Durch die Haltung, die angesichts dieser Angriffe eingenommen wird, zeigen sich nun diejenigen, die rechtschaffen und gewissenhaft sind, die auf der Seite der Gerechtigkeit stehen. Bislang hat keine offizielle internationale Institution und kein Staat, insbesondere nicht die UN, diese Angriffe des türkischen Staates kritisiert oder ernsthaft dagegen Stellung bezogen. Im Gegenteil, sie haben direkt oder indirekt die Politik des türkischen Staates unterstützt. Auf der Grundlage dieser Unterstützung führt der türkische Staat diese Angriffe durch und betreibt eine Politik des Völkermords. Wir fordern die internationalen Institutionen und Staaten, insbesondere die UN, erneut auf, diese Angriffe des türkischen Staates nicht zu unterstützen und klar dagegen Stellung zu beziehen. Weder die UN, noch die NATO, noch irgendein anderer Staat oder eine andere Institution sollten den türkischen Staat unterstützen und sich zu Komplizen beim Völkermord an den Kurd:innen machen.
„Die Proteste müssen ausgeweitet werden“
Wir appellieren auch an das patriotische Volk Kurdistans und an alle demokratischen Kräfte weltweit: Es ist dringend notwendig, deutlich Haltung gegenüber den völkermörderischen Angriffen des türkischen Staates zu beziehen. Der Faschismus kann nur durch demokratische Organisierung und Aktion gestoppt und zerschlagen werden. Wie man sieht, geht die internationale Staatengemeinschaft Kompromisse mit dem türkischen Staat ein, schweigt zu seinen Taten und unterstützt sie sogar. Als demokratische Welt und öffentliche Meinung können wir das nicht akzeptieren. Wir müssen politischen Druck auf die starken Staaten und Institutionen ausüben und sie davon überzeugen, diese Haltung aufzugeben. Staaten und offizielle Institutionen, die Komplizenschaft bei diesem Genozid leisten, können nicht als legitim anerkannt werden. Auf dieser Grundlage muss sich unser Volk in Kurdistan und im Ausland erheben und starken Protest gegen die Angriffe zeigen. Die Völker der Welt, die Frauen, die Jugend und die demokratischen Kräfte sowie unsere internationalistischen Freund:innen müssen ebenfalls aktiv werden und in Solidarität mit dem kurdischen Volk handeln.“