Der kurdische Europaverband KCDK-E ruft zur Solidarität mit Ecevit Piroğlu auf und kündigt für kommenden Mittwoch Unterstützungsaktionen in mehreren europäischen Städten an. „Das Verfahren zur Auslieferung von Ecevit Piroğlu aus Serbien an die Türkei dauert seit langer Zeit an. Ecevit Piroğlu ist ein Freund der Völker, ein Aktivist des Gezi-Widerstands, ein Verteidiger von Demokratie und Freiheiten und ein ehemaliger Kämpfer gegen den IS. Sein Verfahren in Serbien beruht auf dem Druck des türkischen Staates. Er soll von Serbien an den faschistischen türkischen Staat ausgeliefert werden“, erklärt der KCDK.
Weiter heißt es in der Erklärung: „Ecevit Piroğlu ist seit zwei Jahren in Serbien inhaftiert. Seine bereits beschlossene Auslieferung an die Türkei wurde vorerst durch die revolutionäre Öffentlichkeit und internationale Bemühungen verhindert, die Gefahr dauert jedoch unvermindert an. Es wurden Dutzende Aufrufe an den serbischen Staat gerichtet. In diesen Aufrufen wurde mitgeteilt, dass für Ecevit Piroğlu im Falle einer Auslieferung Lebensgefahr besteht. Es ist allgemein bekannt, dass der türkische Staat von einem faschistischen Regime geleitet wird. In diese Regime gibt kein Recht und keine Gerechtigkeit und gegen Andersdenkende wird Feindstrafrecht angewandt. Ecevit Piroğlu hat immer wieder erklärt, dass Diktator Erdoğan und das faschistische AKP/MHP-Regime die Türkei in ein offenes Gefängnis für die Völker verwandelt haben und alle Freiheiten beschneiden.
Wenn Ecevit Piroğlu an die Türkei ausgeliefert wird, kommt er lebenslang ins Gefängnis. Aus diesem Grund werden wir am 7. Juni zusammen mit dem Verband Demokratischer Kräfte Aktionen für Ecevit Piroğlu in Frankfurt, Stuttgart, Köln, Wien, Bern und Paris durchführen. Ecevit Piroğlu darf nicht an die Türkei ausgeliefert werden und wir rufen die Öffentlichkeit zur Solidarität auf.“
Wer ist Ecevit Piroğlu?
Ecevit Piroğlu wurde 1974 in der zentralanatolischen Stadt Kırşehir geboren, ursprünglich stammt er aus Ezirgan (tr. Erzincan). Politisiert in der Studierendenbewegung der neunziger Jahre, war er später für einige Zeit Vorstandsmitglied des international bekannten Menschenrechtsvereins IHD, der seit Jahrzehnten Folterungen in Haft, Polizeigewalt auf Demonstrationen und das „Verschwindenlassen“ linker und kurdischstämmiger Menschen in der Türkei anprangert. Aufgrund seines politischen Wirkens war Piroğlu mehrfach im Gefängnis.
Als aktiver Teilnehmer am Gezi-Aufstand 2013 und Geschäftsführer der Sozialistischen Demokratie-Partei (SDP) wurde er von der Regierung verstärkt ins Visier genommen. Im Juni 2013 fand eine staatliche „Racheoperation“ gegen die SDP aufgrund ihres federführenden Einsatzes bei Gezi statt, die Zentrale in Istanbul wurde von paramilitärischen Spezialeinheiten der Polizei überfallen. Piroğlu befand sich unter den 74 Personen, die damals brutal festgenommen wurden. Viele der damaligen Betroffenen wurden später im sogenannten „Revolutionäres Hauptquartier“-Verfahren („Devrimci Karargah”) zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Angesichts der Verhaftungen und massiven Verfolgung ihrer Führungskräfte war die SDP 2015 gezwungen, sich aufzulösen. Noch im selben Jahr entschied Piroğlu die Türkei zu verlassen, um einer jahrzehntelangen Gefängnisstrafe zu entgehen. Er ging nach Nordsyrien und schloss sich dem Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) an. Im Juni 2021 reiste er nach Serbien, um politisches Asyl zu beantragen, und wurde noch am Belgrader Flughafen verhaftet. Grund dafür ist das Interpol-System, das die Türkei systematisch als Instrument zur Bestrafung ihrer politischen Gegner im Ausland missbraucht. Ankara führt Piroğlu in seiner „Roten Liste“ der meistgesuchten „Terroristen“, auf ihn ist ein Kopfgeld von zehn Millionen TL (aktuell rund 500.000 Euro) ausgesetzt.
Im Oktober 2022 hob das Berufungsgericht in Belgrad die Entscheidung einer unteren Instanz auf, Ecevit Piroğlu an die Türkei auszuliefern. Der Aktivist befindet sich weiter in Haft – ein Verstoß gegen die Richtlinien des UN-Ausschusses gegen Folter, serbisches Recht und frühere Gerichtsurteile. Auch sein Asylantrag wurde bislang nicht positiv beantwortet, obwohl ihm in der Türkei mindestens dreißig Jahre Gefängnis drohen.