Das Berufungsgericht in der serbischen Hauptstadt Belgrad hat die Entscheidung einer unteren Instanz aufgehoben, Ecevit Piroğlu an die Türkei auszuliefern. Das teilt die Initiative Freedom for Ecevit Piroğlu auf Twitter mit. Piroğlu hat zwar das Recht erhalten, seinen Fall in einem Wiederaufnahmeverfahren erneut zu verhandeln, aber das Gericht hat noch keine Entscheidung über seine Freilassung getroffen. „Das Gericht hat in rechtswidriger Weise sogar seine eigenen Regeln missachtet", erklärt die Initiative. „Das Berufungsgericht, das die Auslieferung gestoppt hat, ist ein Beweis dafür, dass das Verfahren nicht auf konkreten Beweisen und Kompetenzen beruhte. Die Entscheidung über die Auslieferung wurde also unter großen Ungerechtigkeiten getroffen und führte zu einer verfahrenswidrigen Inhaftierung."
Ecevit Piroğlu setzt seinen Hungerstreik fort. Nach Angaben der Initiative wiegt er derzeit 48 Kilogramm und kann sich nicht länger als zehn Minuten bewegen, er ist fast vollständig bettlägerig: „Jeder Augenblick, der verstreicht, ist ein ernsthaftes Risiko für sein Leben, das nicht kompensiert werden kann. Wenn das Amtsgericht Piroğlus Inhaftierung im Wiederaufnahmeverfahren, das sich über Monate hinziehen kann, fortsetzt, kommt das einem Mord gleich."
Die Initiative fordert die Freilassung von Ecevit Piroğlu, eine umgehende medizinische Versorgung und die Anerkennung seines Rechts auf Asyl wegen politischer Verfolgung in der Türkei. Piroğlu ist seit 1992 politisch aktiv und arbeitete unter anderem im Menschenrechtsverein IHD. Im Laufe der Jahre wurde er aufgrund seiner politischen Arbeit mehrfach inhaftiert. 2021 verließ er die Türkei und reiste nach Serbien aus, nachdem er im Zusammenhang mit dem Gezi-Aufstand von 2013 des Terrorismus beschuldigt worden war. Piroğlu reiste später nach Nordsyrien, um gegen den Islamischen Staat (IS) zu kämpfen. Bei seiner Landung in Belgrad wurde er verhaftet und befindet sich nach wie vor in Gewahrsam. Im Juni trat er aus Protest in einen Hungerstreik. Derzeit befindet er sich in Einzelhaft.
Am 2. Juni, dem Tag, an dem Piroğlu in den Hungerstreik trat, forderte der UN-Menschenrechtsausschuss Serbien auf, die Auslieferung bis zur Überprüfung des Falles auszusetzen. Seine Inhaftierung verstoße gegen die Richtlinien des UN-Ausschusses gegen Folter, serbisches Recht und frühere Gerichtsurteile, erklärte der Koordinator der Kampagne, Hüseyin Ateş, im Juli gegenüber Balkan Insight. Ein anderer Aktivist, Mehmet Yozcu, trat am 4. Oktober in einen Solidaritätshungerstreik. In mehreren europäischen Städten haben Solidaritätskundgebungen stattgefunden, so auch kürzlich in Berlin.