Dersim und Pulur unter Zwangsverwaltung gestellt
Die DEM-regierte Provinzhauptstadt Dersim und der CHP-regierte Landkreis Pulur sind unter Zwangsverwaltung gestellt worden, das türkische Innenministerium hat staatliche Treuhänder ernannt.
Die DEM-regierte Provinzhauptstadt Dersim und der CHP-regierte Landkreis Pulur sind unter Zwangsverwaltung gestellt worden, das türkische Innenministerium hat staatliche Treuhänder ernannt.
Das türkische Innenministerium hat Zwangsverwalter für die DEM-regierte Provinzhauptstadt Dersim (tr. Tunceli) und den CHP-regierten Landkreis Pulur (Ovacık) ernannt. Die Wache im Rathaus von Dersim ist gewaltsam aufgelöst worden, eine große Menschengruppe hält sich vor dem Gebäude auf.
Anstelle der Ko-Bürgermeister:innen Cevdet Konak und Birsen Orhan (DEM) wurde Provinzgouverneur Bülent Tekbıyıkoğlu zum Treuhänder der Stadt Dersim bestellt. In Pulur ist der Bürgermeister Mustafa Sarıgül (CHP) durch den Landrat Hüseyin Şamil Sözen ersetzt worden. Das teilte das Innenministerium mit.
Konak und Sarıgül waren am 20. November in Dersim wegen „Organisationsmitgliedschaft“ zu sechs Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Urteilsverkündung in dem seit zehn Jahren andauernden Prozess war unerwartet, den Angeklagten wurde keine Möglichkeit der Verteidigung eingeräumt. Im Rathaus von Dersim haben Menschen seit zwei Tagen Wache gehalten, um die staatliche Zwangsverwaltung zu verhindern.
Hintergrund: Seit acht Jahren Zwangsverwaltung in der Türkei
Von der DEM und ihrer Vorgängerpartei HDP regierte Städte und Gemeinden werden seit acht Jahren nach jeder Kommunalwahl vom türkischen Innenministerium unter Zwangsverwaltung gestellt. Viele Bürgermeister:innen wurden verhaftet, Dutzende von ihnen leben inzwischen im Exil in Europa.
Sieben kurdische Bürgermeister:innen abgesetzt
Mit Dersim und Pulur stehen mittlerweile sieben Kommunen in der Türkei unter Zwangsverwaltung. Seit den Kommunalwahlen am 31. März 2024 sind bisher sieben Bürgermeister:innen des Amtes enthoben und durch staatliche Treuhänder ersetzt worden.
Der erste verhaftete Bürgermeister nach den Wahlen war der kurdische DEM-Politiker Mehmet Sıddık Akış in Colêmerg (Hakkari), der im Juni in einem politischen Prozess zu fast zwanzig Jahren und vor zwei Tagen in einem ähnlichen Verfahren zu weiteren neun Jahren Haft verurteilt wurde.
Ende Oktober ist der Bürgermeister des Istanbuler Stadtbezirks Esenyurt, Ahmet Özer (CHP), als angebliches Mitglied einer Terrororganisation suspendiert und verhaftet worden. Das Rathaus von Esenyurt wurde unter Zwangsverwaltung gestellt, das türkische Innenministerium ernannte den stellvertretenden Gouverneur von Istanbul zum Treuhänder. Esenyurt ist ein großer Bezirk, in dem viele Kurdinnen und Kurden leben. Auch der CHP-Politiker Ahmet Özer ist Kurde, ihm werden vermeintliche Verbindungen zur PKK vorgeworfen.
Am 4. November wurden die Ko-Bürgermeister:innen Gülistan Sönük in Êlih, Ahmet Türk in Mêrdîn (Mardin) und Mehmet Karayılan in Xelfetî (Halfeti) des Amtes enthoben. Der frühere Parlamentsabgeordnete Ahmet Türk ist in der Provinzhauptstadt Mêrdîn bereits zum dritten Mal zum Oberbürgermeister gewählt und durch einen staatlichen Zwangsverwalter ersetzt worden.
Cevdet Konak (63) war bei den Kommunalwahlen im März als Ko-Kandidat der DEM-Partei zusammen mit Birsen Orhan angetreten und mit über vierzig Prozent der Stimmen zum Bürgermeister von Dersim gewählt worden. Mustafa Sarıgül, Bürgermeister in Pulur, war früher HDP-Mitglied, wechselte jedoch später zur CHP.