Jugendkommune Frankfurt erinnert an Andrea Wolf

Die Jugendkommune Frankfurt hatte nach Bockenheim eingeladen, um Andrea Wolf zu gedenken. Die Internationalistin wurde vor 24 Jahren als Guerillakämpferin Ronahî von der türkischen Armee ermordet.

Die Jugendkommune Frankfurt hatte am Sonntag nach Bockenheim eingeladen, um Andrea Wolf zu gedenken. Die Internationalistin wurde am 23. Oktober 1998 als Guerillakämpferin mit dem kurdischen Namen Ronahî in Şax (tr. Çatak) bei Wan vom türkischen Militär gefangen genommen und extralegal hingerichtet. Mit ihr starben noch mindestens 24 weitere Kämpferinnen und Kämpfer an diesem Tag.

Das Gedenken begann mit einer Schweigeminute für Andrea Wolf und alle anderen internationalistischen Gefallenen des Befreiungskampfes. Daran anschließend wurde ein Input zur aktuellen politischen Lage in Kurdistan gehalten. Im Fokus des Beitrags standen die Chemiewaffenangriffe des türkischen Staates gegen die Guerilla in Kurdistan, die seit Monaten wieder eskalieren. Danach widmete sich die Zusammenkunft dem Leben und Wirken von Andrea Wolf. Wir geben den Beitrag hier ungekürzt wieder:

„Heute vor 24 Jahren, am 23. Oktober 1998, ist unsere Genossin und Freundin Andrea Wolf - Ronahî, vom türkischen Militär in Bakur ermordet worden.

Ermordet, weil sie sich der internationalistischen Revolution in Kurdistan angeschlossen hat, weil sie den Mut hatte, alles für eine bessere Welt zu geben, weil sie ihrem bedingungslosen Streben nach Gerechtigkeit und ihrem Verlangen nach Freiheit für alle Menschen gefolgt ist.

Ronahî wurde am 15. Januar 1965 in München geboren und war schon zu ihrer Jugendzeit Teil der widerständigen Bewegung in Deutschland. Mit Weggefährt:innen gründete sie unter anderem die militante Aktionsgruppe „Freizeit 81“, die sich als Teil der Stadtguerilla in München verstand. Durch Hausbesetzungen, Straßenkunst, Kundgebungen, Flugblätter, aber auch mit Angriffen auf Banken und Büros der Lufthansa und Polizeigewerkschaften versuchte die Gruppe auf die allgegenwärtige strukturelle Gewalt des kapitalistischen und staatlichen Systems aufmerksam zu machen und als Avantgarde in München voranzugehen. Die Gruppe wurde nur wenige Monate nach ihrer Gründung durch die harte Repression des deutschen Staates zerschlagen – nicht aber der Wille Ronahîs.

1986 zog es sie auf ihrer Suche nach revolutionärer Perspektive in Deutschland nach Frankfurt. Auch hier verfolgten die Repressionsorgane ihre politische Arbeit. So verbrachte sie mehrere Monate in Untersuchungshaft. Doch ihr Mut konnte nicht gebrochen werden. Sie engagierte sich in autonomen Gruppen wie „Kein Friede“, wirkte bei Hausbesetzungen mit und beschäftigte sich ideologisch mit unterschiedlichsten Befreiungsbewegungen. Ihre revolutionäre Suche führte sie in die USA, nach Guatemala, El Salvador und schließlich nach Kurdistan. Dort wurde sie Mitglied der PKK und der YAJK, dem Freien Frauenverband Kurdistans, und kämpfte gegen die türkische Besatzerarmee in Bakur.

Sie schrieb während ihres Kampfes in den Bergen und ihren ersten Bildungen Texte über ihre Erfahrungen und Eindrücke. Über die Wärme, die ihr begegnet ist, ihre Erkenntnisse über die deutsche Befreiungsbewegung und ihre eigene Persönlichkeit. Darüber, wie beeindruckt sie von den Analysen Abdullah Öcalans und den Freiheitskämpfer:innen vor Ort war, über die revolutionäre Ideologie und dem kompromisslosen Leben für die soziale Revolution.

Aber auch über ihre Widersprüche, über ihren Ärger und ihre Einsamkeit schrieb sie. Besonders ihre Ehrlichkeit, ihrem Verständnis von beiderseitigem Lernen, ihr Wille zu lernen und zu lehren sowie ihre Kritisierbarkeit und ihre Kritik machen sie für uns als Internationalist:innen, zu einem Vorbild. Ronahîs Streben nach dem Sturz aller Unterdrückenden kannte keine Grenzen und keine absolute Wahrheit, kannte keine Bequemlichkeit oder Resignation, kannte keine Überhöhung und keine Vereinfachung, keine Kleingeistigkeit und kein Zurücklehnen auf altbekanntes. Ihr Streben nach Veränderung zeigte den Facettenreichtum von Internationalismus.

Ihr Mut, ihre Kampfbereitschaft und ihre Ehrlichkeit haben sie zum Symbol des internationalistischen Kampfes werden lassen. Ihr Licht konnte keine Kugel dieser Erde auslöschen.

Hevala Ronahî wurde am 23. Oktober 1998 vom Feind ermordet – doch tot sein wird sie nie. Sie wurde mit ihrem Kampf für Freiheit unsterblich. Şehîd namirin!“

Nach dem Redebeitrag wurde noch ein Film über Andrea Wolf gezeigt. Im Anschluss fanden rege Diskussionen über die deutsche Gedenkkultur und das Erbe der Internationalistin statt.