HDP: Türkische Angriffe erschweren den Kampf gegen den IS

Die Türkei bombardiert als Mitglied der NATO und des Europarates den Irak und Syrien und erschwert damit den Kampf gegen den IS. Die HDP fordert eine Rückkehr zu Friedensverhandlungen im Zusammenhang mit der kurdischen Frage.

Feleknas Uca und Hişyar Özsoy haben als außenpolitische Sprecher:innen der Demokratischen Partei der Völker (HDP) eine Stellungnahme zu der grenzüberschreitenden Operation der türkischen Luftwaffe im Nordirak und in Nordsyrien abgegeben. Die beiden Abgeordneten weisen darauf hin, dass die Angriffe auf kurdische Ziele den Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) erheblich erschweren und die Türkei dabei als Mitglied der NATO und des Europarates agiert. Die HDP fordert eine Rückkehr zu Friedensverhandlungen im Zusammenhang mit der kurdischen Frage.

Zu den jüngsten Bombardierungen am Dienstagabend teilen die HDP-Sprecher:innen mit: „Am Abend des 1. Februar 2022 hat das türkische Militär Ziele im Irak und im Norden Syriens angegriffen. Über zwanzig Luftangriffe trafen die Region Şengal (Sinjar), die Heimat der Ezidinnen und Eziden, die den Völkermord des IS im Jahr 2014 überlebt haben. Mehr als zehn Luftangriffe trafen das Flüchtlingslager Mexmûr, in dem eine Gemeinschaft von Kurdinnen und Kurden lebt, die in den 1990er Jahren in den Irak gekommen waren, um der Zerstörung ihrer Heimatdörfer durch türkische Sicherheitskräfte in der Türkei zu entkommen - inzwischen sind es über 12.000. Es wird berichtet, dass zwei Menschen getötet und einige andere verletzt wurden.“ Weitere Bomben, die in der Region Dêrik in Nordostsyrien einschlugen, trafen ein Elektrizitätswerk als Teil der lebenswichtigen Infrastruktur der Region, so die HDP-Abgeordneten. Dabei kamen vier Kämpfer der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) ums Leben, die das Werk bewachten. Fünf Arbeiter wurden verletzt. Zeitgleich wurden aus dem von der Türkei besetzten Gebiet Artilleriegranaten auf Dörfer in der nordsyrischen Region Şehba abgefeuert, wo kurdische Binnenvertriebene aus Efrîn vorübergehend Zuflucht gefunden haben.

Angriffe erschweren den Kampf gegen den IS

Weiter heißt es in der Erklärung: „Diese koordinierten Angriffe auf Menschen, die nach Jahrzehnten des Krieges und der Verfolgung um den Aufbau von Leben und Gemeinschaften kämpfen, erfolgten am Abend eines Trauertages. Die Menschen in Nord- und Ostsyrien begruben die 121 Kämpfer, Gefängnismitarbeiter und Zivilisten, die bei dem IS-Angriff und dem versuchten Ausbruch aus dem Gefängnis in Hesekê getötet wurden. Ihr Tod reiht sich ein in die Zehntausende von Menschen aus der Region – Kurd:innen, Araber:innen und andere – die im Kampf gegen den IS getötet wurden. Unabhängig davon, ob dies beabsichtigt war oder nicht, erschweren diese Angriffe der Türkei eindeutig den Kampf gegen den IS und geben der Organisation die Möglichkeit, sich neu zu formieren und als äußerst gefährliche Kraft in der Region weiterzukämpfen.

Diskurs des Antiterrorkampfes

Diese jüngsten Angriffe – und auch die kleineren Angriffe, die das türkische Militär jeden Tag durchführt – zeigen einmal mehr, dass die türkische Regierung nicht in der Lage ist, die kurdische Frage im In- und Ausland als etwas anderes zu behandeln als eine militärische Frage, der mit schierer Gewalt begegnet werden muss. Die Regierung nutzt den Diskurs des ,Antiterrorkampfes', um die politische Opposition und insbesondere die Kurdinnen und Kurden in der Türkei, im Irak und in Syrien anzugreifen, indem sie die kurdischen Ansprüche und Forderungen nach Rechten, Anerkennung oder Autonomie kriminalisiert und den Konflikt, der politisch gelöst werden sollte, weiter militarisiert. Solange die Regierung nicht den Mut hat, sich stattdessen um eine politische Lösung zu bemühen, die es der türkischen, der kurdischen und anderen Gemeinschaften ermöglicht, in Frieden und Würde zu leben, können wir nur mit mehr Zerstörung und Blutvergießen rechnen. Das bedeutet leider auch mehr politisches Chaos und Aufruhr in der Türkei und den Nachbarländern.

Mitglied der NATO und des Europarates

Die Türkei führt solche Angriffe als Mitglied der NATO und des Europarates durch und verwendet dabei Waffen, die häufig von NATO-Ländern gekauft werden. Wie wir in unseren früheren Erklärungen zu ähnlichen Angriffen festgestellt haben, sind bei solchen grenzüberschreitenden Angriffen auf Wohngebiete viele Menschen aus der Zivilbevölkerung getötet worden, und zwar völlig ungestraft. Die ,internationale Gemeinschaft' scheint nicht in der Lage oder nicht willens zu sein, sich gegen solche Zerstörungen zur Wehr zu setzen. Sie tut so, als wüsste sie nichts von ihrer politischen und moralischen Verantwortung gegenüber den Kurdinnen und Kurden, die nach wie vor unter äußerst schwierigen Bedingungen gegen den IS kämpfen. Die Kurdinnen und Kurden sind eindeutig enttäuscht und interpretieren diese konsequente Ignoranz als Billigung und/oder Mitschuld an diesen Angriffen und der Zerstörung ihres Lebens.

Rückkehr zu Friedensverhandlungen

Eine Rückkehr zu Friedensverhandlungen im Zusammenhang mit der kurdischen Frage ist für das kurdische, das türkische und andere Völker des Nahen Ostens und auch darüber hinaus unerlässlich. Sie ist auch für den Sieg über den IS wichtig, der regionale Stabilität voraussetzt. Unter diesen Angriffen scheint Stabilität unmöglich zu sein.“

Foto: Behaa Mahmoud vom Städtepartnerschaftsverein in Dêrik