HDP lädt zur Beobachtung des Kobanê-Verfahrens in Ankara ein

Die HDP ruft zur internationalen Prozessbeobachtung im sogenannten „Kobanê-Verfahren“ im Februar in Ankara auf. Der Prozess steht in engem Zusammenhang mit dem Verbotsverfahren gegen die HDP und den bevorstehenden Wahlen in der Türkei.

Die Demokratische Partei der Völker (HDP) ruft die internationale Gemeinschaft und die ausländischen Vertretungen in der Türkei zur Beobachtung der Verhandlungen vom 7. bis 9. Februar im sogenannten „Kobanê-Prozess“ in Ankara auf. Die Sprecher:innen für auswärtige Angelegenheiten, Feleknas Uca und Hişyar Özsoy, weisen darauf hin, dass der Prozess in engem Zusammenhang mit dem laufenden Verbotsverfahren gegen die HDP steht und von rechtswidrigen Entscheidungen geprägt ist.

Gegenmaßnahme zu EGMR-Urteil: Anklage gegen 108 Personen

In der Einladung von Feleknas Uca und Hişyar Özsoy zur Prozessbeobachtung heißt es: „Im Kobanê-Prozess wurden 2020 108 Personen angeklagt, darunter die ehemaligen Ko-Vorsitzenden der HDP, Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, die derzeitige Ko-Vorsitzende Pervin Buldan, mehrere derzeitige und ehemalige HDP-Abgeordnete und Bürgermeister:innen sowie alle Mitglieder des zentralen HDP-Vorstands von 2014. Dieses Verfahren wurde als Gegenmaßnahme der türkischen Regierung nur zwei Wochen nach dem endgültigen Urteil der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eingeleitet, in dem die sofortige Freilassung von Selahattin Demirtaş gefordert wurde.

Die Anklage im Kobanê-Verfahren stützt sich auf eine Twitter-Nachricht, die die HDP am 6. Oktober 2014 veröffentlichte. Darin wurde zu demokratischen Protesten in Solidarität mit der Bevölkerung von Kobanê, einer kurdischen Stadt in Nordsyrien, die gegen den Angriff des IS kämpfte, sowie gegen das Embargo der Türkei gegen die Stadt aufgerufen. Der Staatsanwalt fordert für alle Angeklagten 38-mal lebenslänglich (ohne Bewährung) wegen ,Zerstörung der Einheit des Staates und der Integrität des Landes' und ,vorsätzlichen Mordes'. Siebzehn Politikerinnen und Politiker befinden sich derzeit in diesem Verfahren in Untersuchungshaft.

Richter unter Hausarrest gestellt

Vor Beginn der ersten Anhörung in diesem Fall wurde die Besetzung des Gerichts geändert. Am ersten Verhandlungstag war das Gericht bis in die für die Verteidigung reservierten Abteilungen mit Polizeibeamten besetzt. Während der Verhandlung wurde der Vorsitzende des Gerichts entlassen und unter Hausarrest gestellt, weil er Mitglied einer kriminellen Vereinigung ist. Das Gericht hat bisher mehrere Entscheidungen getroffen, die das Recht auf Verteidigung und damit das Recht auf ein faires Verfahren direkt verletzen oder sogar verweigern. Zu diesen rechtswidrigen Entscheidungen gehören die Fortsetzung der Anhörungen in zweiwöchigen Abständen ohne Unterbrechung, geheime Zeugenaussagen voller Widersprüche und die Begrenzung der Dauer der Verteidigung auf einen Tag für die Angeklagten und ihre Anwältinnen und Anwälte. Das Gericht beschloss, die Akte dem Staatsanwalt für sein obiter dictum zu übermitteln, ohne die Angeklagten, darunter die ehemaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş, auch nur zu befragen.

In der Türkei stehen Wahlen bevor

Der Kobanê-Prozess ist eng mit dem gegen die HDP eingeleiteten Schließungsverfahren verknüpft, für das er als Vorwand dient. Im Schließungsverfahren stützt sich die Anklage hauptsächlich auf die angebliche Rolle und Verantwortung der HDP bei den Morden während der Kobanê-Proteste im Jahr 2014. Wir möchten betonen, dass die Große Kammer des EGMR diese Vorwürfe bereits im Fall von Selahattin Demirtaş geprüft hat und zu dem Schluss kam, dass weder Demirtaş noch die HDP für die Morde verantwortlich waren.

Wir möchten die internationale Gemeinschaft und die ausländischen Vertretungen in der Türkei einladen, die 21. Anhörung im Kobanê-Verfahren vom 7. bis 9. Februar 2023 auf dem Sincan-Gefängnisgelände in Ankara zu beobachten. Die Anhörungen beginnen jeweils um 10 Uhr. Da sich die Türkei den Wahlen nähert, sind wir der Meinung, dass dieser Fall, der sich mit Sicherheit auf die Schließung der HDP auswirken wird, genauestens verfolgt werden muss.“