Kurdischer Bürgermeister verhaftet
Die Ko-Vorsitzende der Partei für Gleichheit und Demokratie (DEM), Tülay Hatimoğulları, hat der türkischen Regierung vorgeworfen, Kurdinnen und Kurden bürgerliche Rechte abzuerkennen und die Türkei ins Mittelalter zurückzuwerfen. Die Politikerin wies auf der Fraktionssitzung ihrer Partei in Ankara auf die Forderung des MHP-Vorsitzenden Devlet Bahçeli nach staatlicher Übernahme von DEM-regierten Gemeinden hin und sagte: „Mit dieser Praxis wird dem kurdischen Volk gesagt: ‚Ihr habt nicht das Recht zu wählen und gewählt zu werden, ihr seid keine vollwertigen Bürger dieses Landes‘. Sie sagen dem kurdischen Volk und den mit ihm solidarischen Menschen und demokratischen Kräften: ,Ihr seid ein Problem der nationalen Sicherheit'. Das sagen sie sagen zu Millionen von Menschen.“
„Mit Militärgewalt durchgesetzter politischer Putsch“
Tülay Hatimoğulları erklärte, dass sie nach der Beschlagnahmung der Stadtverwaltung von Colemêrg (tr. Hakkari) dorthin gefahren sei und miterlebt habe, wie die Bevölkerung sich gegen den politischen Putsch zur Wehr setze. Dabei zeigte sie ein Foto von dem Polizei- und Militäraufgebot in der kurdischen Provinzhauptstadt und sagte: „So sieht es vor dem Sitz des Gouverneurs aus. Dieses Bild wird in die Geschichte eingehen, es wird nicht vergessen werden.“ Das Foto sei bezeichnend für die von der Regierung mit militärischer Übermacht vollzogene Usurpation des Rathaus.
Bürgermeister abgesetzt und verhaftet
Der Gouverneur von Colemêrg ist vergangene Woche vom türkischen Innenministerium zum Oberhaupt der Stadtverwaltung ernannt worden. Der rechtmäßige Bürgermeister Mehmet Sıddık Akış, der bei der Kommunalwahl im März trotz massiver Betrugsversuche und des Einsatzes tausender Soldaten als mobil einsetzbare Wähler mit fast 49 Prozent der Stimmen gewählt worden war, wurde des Amtes enthoben und in einem fingierten Terrorprozess zu fast 20 Jahren Haft verurteilt. Dieser Vorgang wiederholt sich in Colemêrg bereits zum dritten Mal. In der Türkei werden kurdische Gemeinden seit 2016 nach jedem Wahlerfolg pro-kurdischer Parteien unter staatliche Zwangsverwaltung gestellt, die gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister werden festgenommen und abgesetzt.
„Sind die Menschen in Colemêrg nicht das Volk?“
Der türkische Staats- und Regierungschef Tayyip Erdoğan legitimiert das Vorgehen als angeblich juristische Entscheidung. „Erdoğan sagt, die Entscheidung der Justiz sollte niemanden beunruhigen. Herr Präsident, warum beunruhigt Sie die Wahlentscheidung des kurdischen Volkes vom 31. März? Kommen Sie heraus und erklären Sie es der Öffentlichkeit der Türkei. Erklären Sie, was hinter der Ernennung eines Zwangsverwalters steckt“, forderte Tülay Hatimoğulları. Erdoğan habe unmittelbar nach den Wahlen lamentiert, der Wählerwille müsse geschützt werden, so die DEM-Vorsitzende weiter: „Sind die Menschen in Hakkari nicht das Volk? Ist das Volk nur das Volk, wenn es Sie wählt? Ist das Volk nicht das Volk, wenn es politische Entscheidungen zugunsten anderer Parteien trifft?“
Zurück ins Sultanat
Die Ernennung eines staatlichen Zwangsverwalters hebele demokratische Grundrechte aus und sei zudem ein Instrument, die kommunalen Mittel für öffentliche Dienstleistungen einzukassieren, kritisierte Hatimoğulları. Die Regierung führe zurück ins ins 18. Jahrhundert, „in die Zeit des Sultanats“: „Das werden wir niemals akzeptieren, wir werden weiter dagegen kämpfen.“