DEM-Partei: „Unser Widerstand ist stärker als eure Panzer“

Die Proteste gegen die Verhaftung des Bürgermeisters und die staatliche Übernahme der Stadtverwaltung von Colemêrg gehen weiter. Die DEM-Vorsitzenden warnen vor einer Ausweitung der Zwangsverwaltung auf weitere Rathäuser.

Wahlrecht für Kurd:innen ausgehebelt

Die Proteste gegen die staatliche Übernahme der Stadtverwaltung von Colemêrg (tr. Hakkari) gehen weiter. Tuncer Bakırhan, Ko-Vorsitzender der DEM-Partei, hat bei einem Besuch in der Kreisstadt Gever (Yüksekova) vor einer Ausweitung der Zwangsverwaltung auf weitere Rathäuser gewarnt.


„Die AKP/MHP-Regierung hat nach ihrer Niederlage bei den Wahlen zum dritten Mal einen Treuhänder in Hakkari ernannt. Das werden wir nicht hinnehmen. Die Kurdinnen und Kurden werden es nicht akzeptieren, die Völker der Türkei akzeptieren es nicht. Von Edirne bis Hakkari protestieren Türken, Kurden, Araber, Tscherkessen, Frauen, Jugendliche, politische Parteien und Organisationen gegen das Treuhandregime. Wir fordern von der Regierung, diese Politik aufzugeben und den Wählerwillen zu respektieren. Die Bevölkerung hat der Regierung bei den Wahlen am 31. März eine deutliche Botschaft übermittelt. Die Menschen wollen Frieden und eine Lösung der Probleme über einen Dialog und Verhandlungen. Und der Widerstand des Volkes ist stärker als ihre Panzer und Raketen“, sagte Bakırhan.


Die DEM-Ko-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları nahm unterdessen mit weiteren Politiker:innen, darunter der DBP-Ko-Vorsitzende Keskin Bayındır und die Ko-Bürgermeister:innen von Wan (Van), an einer Protestversammlung in der Kreisstadt Rêya Armûşê (İpekyolu) teil. In Wan war der erste Versuch nach den Kommunalwahlen im März, anstelle des gewählten Bürgermeisters Abdullah Zeydan einen AKP-Politiker an die Spitze des Rathauses zu stellen, am Widerstand der Bevölkerung gescheitert.

Die Zeit der AKP ist vorbei“

Tülay Hatimoğulları, die selbst arabisch-alawitischer Herkunft ist, sagte auf der Kundgebung, dass der kurdischen Bevölkerung in der Türkei seit acht Jahren das Wahlrecht abgesprochen wird: „Den Kurdinnen und Kurden wird gesagt, dass sie keine vollwertigen Bürger dieses Landes sind. Aus Erdoğans Äußerungen geht hervor, dass Hakkari nur der Anfang gewesen sein soll und weitere Orte anvisiert werden. Wir werden bis zum Äußersten Widerstand leisten. Sich gegen das Treuhandregime zu wehren, bedeutet gegen Faschismus zu kämpfen. In diesem Kampf sind wir nicht allein, wir bekommen Unterstützung aus der ganzen Türkei, von Intellektuellen, demokratischen, revolutionären, sozialistischen Menschen, von Gewerkschaften und Massenorganisationen, und selbst von Parteien, die uns politisch nicht nahestehen. Die Zeit der AKP ist vorbei.“

„Widerstand ist Leben"

Hintergrund: Bürgermeister zwei Monate nach der Wahl verhaftet

Der im März mit 49 Prozent der Stimmen zum Ko-Bürgermeister von Colemêrg gewählte DEM-Politiker Mehmet Sıddık Akış ist am Mittwoch zu fast zwanzig Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Seine Verurteilung geht auf eine vor zehn Jahren aus politischen Gründen angestrengte Klage zurück. Der damals zuständige Staatsanwalt wird von den türkischen Behörden inzwischen selbst als Gülen-Anhänger wegen terroristischer Umtriebe gesucht. Die Kandidatur von Akış war vor den Kommunalwahlen von den türkischen Behörden überprüft und bewilligt worden. Der 54-Jährige wurde vom türkischen Innenministerium des Amtes enthoben und ist im Gefängnis. An seiner Stelle wurde der Provinzgouverneur als staatlicher Treuhänder an die Spitze der Verwaltung gestellt.

Kurdische Gemeinden seit 2016 unter Zwangsverwaltung

Bei den diesjährigen Kommunalwahlen hat die Regierungspartei AKP von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Stärkste Kraft auf kommunaler Ebene wurde die größte Oppositionspartei CHP. Die DEM konnte 78 Ratshäuser gewinnen und damit ihr Ergebnis bei den vorherigen Kommunalwahlen 2019 verbessern. Seit 2016 werden in kurdischen Städten und Gemeinden anstelle gewählter Politiker:innen staatliche Zwangsverwalter ernannt, viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wurden verhaftet.