Proteste gegen Kommunalputsch
Die Proteste gegen den Kommunalputsch von Colemêrg haben sich auf ganz Nordkurdistan ausgeweitet. Auch in mehreren Städten der Türkei finden Demonstrationen, Mahnwachen und Aktionen statt.
Die Proteste gegen den Kommunalputsch von Colemêrg haben sich auf ganz Nordkurdistan ausgeweitet. Auch in mehreren Städten der Türkei finden Demonstrationen, Mahnwachen und Aktionen statt.
Nachdem der gewählte Ko-Bürgermeister der nordkurdischen Provinzhauptstadt Colemêrg (tr. Hakkari), Mehmet Sıddık Akış (DEM-Partei), Anfang der Woche festgenommen worden war, wurde das Rathaus vom AKP/MHP-Regime besetzt. Der Ko-Bürgermeister wurde in einem konstruierten politischen Verfahren zu mehr als 19 Jahren Haft verurteilt. Seit fünf Tagen finden in Colemêrg Proteste und Mahnwachen statt. Die Menschen leisten trotz massiver Polizeigewalt Widerstand. Von Colemêrg aus haben sich die Proteste gegen den Kommunalputsch auf ganz Nordkurdistan und mehrere Städte in der Türkei ausgeweitet.
In Êlih (Batman), Sêrt (Siirt), Mêrdîn (Mardin), Adana, Şirnex (Şırnak), Dîlok (Antep), Riha (Urfa) Wan (Van), Izmir und Istanbul haben öffentliche Protestaktionen stattgefunden.
Mahnwache und Straßenkämpfe in Êlih
In Êlih findet eine Dauermahnwache unter der Parole „Die Zwangsverwalter werden gehen, die Völker werden kommen“ statt. Die Polizei versuchte immer wieder, mit einem Großaufgebot zu provozieren. Auch in der Nacht zogen Demonstrationszüge durch die Stadt. Die Polizei setzte mehrfach Tränengas und Pfefferspray ein und griff die Protestierenden an. Aktivist:innen errichteten Barrikaden und verteidigten sich mit Feuerwerk.
Mahnwache in Sêrt: „Überall ist Colemêrg, überall ist Widerstand“
In Sêrt findet vor dem Gebäude der Stadtverwaltung seit drei Tagen eine Mahnwache unter dem Motto „Die Stadtverwaltungen sind unser, wir werden die Usurpation nicht zulassen“ statt. Auch im Gap-Viertel von Sêrt sowie in der Kreisstädten Misirc (Kurtalan) und Hawêl (Baykan) wurde protestiert. Die Menschen riefen wiederholt „Überall ist Colemêrg, überall ist Widerstand“.
Proteste in vielen Städten der Provinz Mêrdîn
In der nordkurdischen Provinz Mêrdîn finden permanent Proteste statt. In der Provinzhauptstadt und den Kreisstädten Qoser (Kızıltepe), Dêrik, Şemrex (Mazıdağı), Nisêbîn (Nusaybin), Kerboran (Dargeçit) und Ertûqî (Artuklu) versammelten sich Menschen vor den Rathäusern zu Mahnwachen. In Qoser versuchte die Polizei am Donnerstag, eine Demonstration durch Absperrungen zu verhindern. Die Aktivist:innen überwanden die Barrikaden und setzten ihren Protest entschlossen fort.
Proteste in Riha
In Riha protestierte die Anwaltskammer gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen. Die Plattform für Arbeit und Demokratie und die DBP und DEM unterstützten den Protest. Der Ko-Vorsitzende der Juristenvereinigung ÖHD Riha, Ibrahim Halil Öyke, sagte: „Der Wille von rund 30.000 Bürgerinnen und Bürgern, die in Hakkari gewählt haben, wird ignoriert. Wir sind heute nicht hier, um darüber zu diskutieren, wer auf welchem Platz sitzen sollte, sondern um uns gegen die Instrumentalisierung der Justiz zu wehren. Die Erklärung des Innenministeriums zeigt, dass es sich nicht um ein juristisches Verfahren, sondern um einen politischen Putsch handelt.“
Darüber hinaus findet unter anderem vor der Stadtverwaltung von Hêwag (tr. Bozova) in der Provinz Riha eine Dauermahnwache statt.
Protest in Wan
In Wan hatte der türkische Staat direkt nach den Wahlen versucht, ebenfalls einen Zwangsverwalter einzusetzen. Nach massiven Widerstand musste der Staat einen Schritt zurück machen. Die Menschen in Wan solidarisieren sich mit den Wähler:innen in der Nachbarprovinz Colemêrg und beteiligen sich massiv an den Protesten. Am Donnerstag fand eine Kundgebung der Ingenieurs- und Architektenkammer TMMOB statt. Engin Işık, Sprecher von TMMOB IKK, erklärte: „Wie schon in den vergangenen beiden Perioden begeht die Regierung erneut einen Verfassungsbruch, indem sie die Wahlen durch die politisierte Justiz mit rechtswidrigen Begründungen aushebelt." In Hinblick auf die Verurteilung des Ko-Bürgermeisters von Colemêrg zu über 19 Jahren Haft erklärte er: „Wenn die Belastungszeugen, die Staatsanwälte und die Richter selbst Straftäter sind, können diese Anklagen und Urteile nicht akzeptiert werden.“
Proteste auch in der Türkei
Auch in Izmir, Adana und Istanbul fanden Protestaktionen statt. Breite Bündnisse solidarisieren sich mit den Protesten unter der Parole „Durch Widerstand werden wir siegen".
In Istanbul-Kadıköy folgten am Donnerstag viele Menschen dem Aufruf der DEM-Partei zum Protest. Neben Vertreter:innen der DEM-Partei nahmen unter anderem auch der CHP-Kreisvorsitzende von Kadıköy, Ali Narin, und Vertreter:innen feministischer und zivilgesellschaftlicher Organisationen teil. Auf Transparenten wurden Parolen wie „Die Stadtverwaltungen sind unser, wir erlauben keine Usurpation“ gezeigt.
In Adana startete der Provinzverband der DEM-Partei eine Mahnwache gegen Zwangsverwaltung. Die Polizei sperrte bereits im Vorfeld den Ort der Mahnwache im Inönü-Park mit Gittern ab und versuchte, die Kundgebung ohne Verbotsverfügung „aus Gründen der öffentlichen Sicherheit“ zu verhindern. Die Polizei drohte des Öfteren den Teilnehmer:innen während der Kundgebung „Lösen Sie sich auf, wir werden intervenieren“. Daraufhin begannen die Teilnehmenden einen Sitzstreik. Jeden Tag um 17.30 Uhr soll die Mahnwache in Adana im Inönü-Park weitergehen.