Proteste in der Türkei: „Zwangsverwalter raus“

In der Türkei wird weiter gegen die Verhaftung des kurdischen Bürgermeisters und die Übernahme der Stadtverwaltung von Colemêrg durch einen vom Innenministerium ernannten Treuhänder protestiert.

Vereinter Widerstand gegen das Palastregime

In der Türkei wird weiter gegen die Übernahme der Stadtverwaltung von Colemêrg (tr. Hakkari) durch einen vom Innenministerium ernannten Treuhänder protestiert. Der im März zum Ko-Bürgermeister von Colemêrg gewählte DEM-Politiker Mehmet Sıddık Akış ist nur zwei Monate nach Amtsantritt zu fast zwanzig Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. An seiner Stelle wurde der Provinzgouverneur an die Spitze der Verwaltung gestellt. In kurdischen Gemeinden in der Türkei werden seit 2016 nach jedem Wahlerfolg Bürgermeisterinnen und Bürgermeister verhaftet.

Sit-In am Samstag in Istanbul

Die DEM-Partei ist bei den Kommunalwahlen am 31. März in 78 Städten und Gemeinden als Wahlsiegerin hervorgegangen. Vor den Rathäusern in den kurdischen Gebieten der Türkei halten Menschen seit Tagen Wache, um weitere staatliche Übernahmen zu verhindern. Auch in vielen Städten im Westen des Landes finden Proteste statt. In Istanbul organisiert ein Bündnis für Arbeit, Frieden und Demokratie jeden Tag Protestaktionen. Auf dem Şişhane-Platz in Beyoğlu wurde eine tägliche Mahnwache ausgerufen, an der verschiedene politische Parteien und Organisationen teilnehmen. Bei einer Kundgebung am Samstag wurde die Anerkennung des Wählerwillens gefordert. „Istanbul ist für Hakkari auf den Beinen“, so die Aufschrift auf einem großen Transparent. Die Teilnehmenden trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Zwangsverwalter raus“ und solidarisierten sich mit dem Widerstand der Bevölkerung von Colemêrg.


Der DEM-Vizefraktionsvorsitzende Sezai Temelli sagte auf der Kundgebung, der Bürgermeister von Colemêrg sei in einem fingierten Strafverfahren verurteilt und verhaftet worden: „Wir wehren uns gegen einen Putsch. Wenn der Präsident Recht sagt, spricht er von einer Putschjustiz. Dagegen müssen wir uns zusammenschließen. Die Putschisten werden gehen, wir werden bleiben.“

In einer vom Sprecher des Gewerkschaftsverbands KESK, Hüseyin Tosu, vorgetragenen Erklärung des Aktionsbündnisses wurde zum vereinten Kampf gegen das „Palastregime“ und für Rechte, Säkularismus, Unabhängigkeit, Frieden und Demokratie in der Türkei aufgerufen: „In einem Land, in dem das Recht mit Füßen getreten wird, in dem die demokratischen Rechte der Völker durch die Entscheidung eines einzigen Mannes ignoriert werden, in dem versucht wird, Arbeiterinnen und Arbeiter durch Hunger zu zähmen, in dem Rentner dem Tod überlassen werden, in dem Frauen auf der Straße ermordet werden, in dem arme Kinder in Gemeinschaftsschlafsäle gezwungen werden, in dem unsere Sprache ignoriert wird, rufen wir dazu auf, sich gegen den Palast zu vereinen, um eine Stimme gegen diese Dunkelheit zu sein, in der es für niemanden eine Zukunft gibt.“