Die Initiative Demokratischer Konföderalismus (IDK) hat im Centro Sociale in Hamburg im Rahmen des „TATORT Kurdistan“-Cafés unter dem Titel „Was ist eigentlich demokratischer Konföderalismus?“ das Gesellschaftsmodell der kurdischen Bewegung mit Berichten aus der gelebten Selbstverwaltung der Föderation Nord- und Ostsyrien vorgestellt.
Zu Beginn gab es eine Einführung in das Geschichtsverständnis der Freiheitsbewegung Kurdistans, dass die IDK mit eigenen Forschungsarbeiten auf die Verhältnisse im Westen anwendet. Dieses wurde auf einem Wimmelbild der Initiative Geschichte & Widerstand anhand von zwei Flüssen visualisiert, welche sich durch die Zeit schlängeln. Dabei wurde darauf eingegangen, dass der demokratische Fluss seit jeher existiert und sich in den Widerständen und im Aufbau alternativer Gesellschaftsformen darstellt. Vor 5.000 Jahren kam es demnach zu der Abspaltung des staatlichen Flusses, der die Entstehung des Patriarchats markierte, welches die Grundlage für die im Laufe der Zeit aufkommende Klassengesellschaft, Kapitalismus und Staat bildete. Aufgrund dieses Verständnisses versuche der demokratische Konföderalismus alle gesellschaftlichen Probleme und systemischen Krisen, welche die kapitalistische Moderne verursache, ganzheitlich zu betrachten und diese an der Wurzel ihrer Entstehung zu packen. Dabei sei das Verständnis von früheren Kämpfen wichtig, sowie der Ansatz gegenwärtige Kämpfe zu vereinen. Als Beispiel wurden klimaaktivistische Bewegungen wie „Ende Gelände“ oder der Aufbau der autonomen Selbstverwaltung der Zapatistas in Chiapas genannt.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung wurde auf Begrifflichkeiten wie „Moral“ oder „Politik" eingegangen, wie sie im Verständnis der kurdischen Befreiungsbewegung, aber auch der IDK verwendet werden. Das Gesetzbuch habe das Verständnis von Moral und Werten in der Gesellschaft abgelöst, lautet die Kritik der IDK am staatlich autoritär geprägten System. Dabei sei dieses unabdingbar, um die Gesellschaft dazu zu befähigen, selbst Politik zu gestalten. Politik werde nicht als staatliche, sondern als eine gesellschaftliche Praxis verstanden, wie beispielsweise die Nachbarschaftsversammlungen der Kommunen, die ihre Entscheidungen selbst treffen und die kleinste Einheit in der autonomen Selbstverwaltung ausmachen. Dabei gelte, dass die Schwächung des Staates die Politikfähigkeit der Menschen belebe, wonach die Gleichung gezogen werde kann: je stärker Politik in der Gesellschaft verbreitet ist, desto schwächer wird der Staat.
Das Zusammenspiel von Politik und Moral wurde anhand der Analogie von Körper und Geist veranschaulicht. Dabei sei der Geist in der Gesellschaft durch die Moral und Wertvorstellungen der Menschen geprägt, während der Körper sich auf die Politik und die Strukturen beziehe. So brauche es eine Veränderung des Körpers, also der Strukturen, in denen wir uns bewegen, um den Rahmen für Veränderungen des Geistes zu schaffen und die Moral in der Gesellschaft zu stärken. Auf die Praxis in Nord- und Ostsyrien bezogen, bedeute dies der Aufbau von Akademien, Kommunen, Kommissionen und Rätestrukturen.