Haftstrafe für Gewerkschaftsvorsitzende gefordert

Ein türkisches Gericht in Sakarya hat die Anklageschrift gegen die Vorsitzende der Konföderation der Revolutionären Arbeitergewerkschaften der Türkei (DISK) Arzu Çerkezoğlu angenommen. Der Ärztin wird „Volksverhetzung“ vorgeworfen.

Ein türkisches Gericht in der Provinz Sakarya hat die Anklageschrift gegen Arzu Çerkezoğlu, Vorsitzende der Konföderation der Revolutionären Arbeitergewerkschaften der Türkei (Türkiye Devrimci İşçi Sendikaları Konfederasyonu, DISK), angenommen. Der 49-jährigen Ärztin wird „Volksverhetzung“ vorgeworfen. Begründet wird die Anklage mit einer Rede von Arzu Çerkezoğlu, die sie im Rahmen einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Quo Vadis, Türkei?“ gehalten hat, die am 5. Juni 2016 in der Kreisstadt Sapanca vom Ortsverband der republikanischen Partei CHP veranstaltet wurde. Bei einer Verurteilung drohen Çerkezoğlu, erste Frau an der Spitze von DISK seit der Gründung  im Jahr 1967, bis zu drei Jahre Haft.

Der Prozess wird am 2. April im Justizpalast Sapanca eröffnet. Zahlreiche Organisationen wie der Internationale Gewerkschaftsbund International Trade Union Confederation (ITUC) und der Europäische Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst European Federation of Public Service Unions (EPSU) haben angekündigt, den Prozess am Dienstag zu beobachten.

Gewerkschaften im Visier Erdoğans

Seit Jahren versucht die türkische Regierung unter Erdoğans AKP, Kontrolle über Gewerkschaften und Berufskammern zu erlangen. Am 15. Juli 2018 stellt der Präsident den Staatlichen Aufsichtsrat (türk. Devlet Denetleme Kurulu, DDK) unter seine Kontrolle, indem er ein Dekret erließ. Die Aufgabe des DDK ist die Überwachung von Vereinen, Stiftungen, Berufskammern und Gewerkschaften. Dessen Kompetenzen reichen vom Einblick in sämtliche Aktivitäten dieser Organisationen bis hin zur Einsicht in deren Verwaltung und Finanzen - ohne richterlichen Beschluss. Mit dem Dekret, das Erdoğan am zweiten Jahrestag des sogenannten Putschversuches vom Juli 2016 erließ, wurden diese Kompetenzen nicht nur direkt an den Präsidentenpalast gebunden, sondern noch weiter ausgebaut. So ist es unter anderem möglich, gewählte Vereins- oder Gewerkschaftsvorsitzende durch den Aufsichtsrat zu entlassen. Da sich bereits ein Großteil der Gewerkschaften in der Hand der AKP und MHP befindet, trifft dies in erster Linie linke und oppositionelle Arbeiter*innenvertretungen.