Gedenkkundgebung in Göttingen für die Opfer des Erdbebens

„Eine Natur- und politische Katastrophe“: Die Kampagnen „Defend Kurdistan“ und „Women Defend Rojava“ haben in Göttingen der Opfer des Erdbebens in der türkisch-syrischen Grenzregion gedacht und zur Unterstützung für die Millionen Betroffenen aufgerufen.

Am Samstag veranstalteten in der Göttinger Innenstadt die Initiativen „Defend Kurdistan“ und „Women Defend Rojava“ eine Gedenkkundgebung für die Opfer des Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Mit einer Schweigeminute gedachten die Teilnehmenden den zehntausenden Opfern und Millionen Betroffenen. Zugleich wurde auf die antikurdische Politik der türkischen und syrischen Regierungen sowie ihrer Verbündeten aufmerksam gemacht, die das Leid vervielfachen würde. Die Gruppen kritisierten, dass angemessener Katastrophenschutz nicht aufgebaut wurde und Hilfe – ob überregional oder international – teils aktiv verhindert wird.

„Bei dem Erdbeben handelt es sich um eine furchtbare Naturkatastrophe, unsere Gedanken sind bei allen betroffenen Familien. Die katastrophalen Auswirkungen sind in ihrem Ausmaß jedoch auch das Ergebnis eines kalkulierten, politischen Versagens. Im Epizentrum des Erdbebens leben vor allem kurdische, alevitische und arabische Menschen. Wie von Überlebenden aus Städten wie Hatay, Adıyaman oder Elbistan berichtet wird, überlässt der türkische Staat die Menschen dort ihrem eigenen Schicksal. Nicht zuletzt wurden Warnungen von Fachleuten vor der Gefahr schwerer Erdbeben in den nun betroffenen Regionen von den zuständigen Behörden ignoriert“, so die Sprecherin Genopheva von der Initiative „Women Defend Rojava“.

„Das Handeln des türkischen und syrischen Staates ist menschenverachtend. Wenige Stunden nach den schweren Erdbeben setzte das AKP/MHP-Regime der Türkei seine illegalen Luft- und Artillerieangriffe auf die mehrheitlich kurdischen Gebiete in Nordsyrien fort. Zudem blockiert die Türkei die Grenzübergänge nach Syrien.“ Und weiter: „Die Vereinten Nationen schrieben am Donnerstagmorgen, dass sie nicht in der Lage seien, mögliche Hilfe in Nordsyrien durchzuführen. Durch das syrische Assad-Regime werden zudem Hilfslieferungen aus der Autonomen Administration Nordostsyrien, auch bekannt als Rojava, in die betroffenen Erdbebengebiete um die Stadt Afrin blockiert. Internationale Unterstützung wird von beiden Staaten zentralisiert und teils beschlagnahmt, um systematisch Menschen in mehrheitlich von Minderheiten bewohnten Regionen zu benachteiligen“, betonte die Sprecherin.

Die Berichte von gezielter unterlassener Hilfeleistung seien zahlreich, kritisierte der Aktivist Philipp, der sich kürzlich an einem internationalistischen langen Marsch für die Freiheit Abdullah Öcalans und eine Lösung der kurdischen Frage durch die Schweiz beteiligte. Der Internationalist berichtete von Schilderungen einer Familie, bei der er kürzlich zu Besuch gewesen sei. „Die Familie stammt aus einer Stadt, die im Epizentrum des Erdbebens liegt. Also sind Angehörige direkt am Tag des Erbebens aus der Schweiz losgefahren, um vor Ort zu helfen. Als sie angekommen sind, war noch keinerlei staatliche Hilfe vor Ort und sie mussten mit ihren bloßen Händen anfangen, ihre Verwandten aus den Trümmern zu holen. Dies war kein kleines Dorf, sondern eine Großstadt mit mehreren Hundertausend vor allem kurdischen Einwohner:innen.“

Die Initiativen „Defend Kurdistan“ und „Women Defend Rojava“ rufen daher dazu auf, den kurdischen roten Halbmond (Hevya Sor a Kurdistanê ev.V.) mit Spenden zu unterstützen. Die Organisation leistet lokale und selbstverwaltete Hilfe in den betroffenen Gebieten und ist eine der wenigen, über die Hilfe tatsächlich bei den Erdbebenopfern ankommt.