Frieden zwischen Türkei und PKK
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan auf, ernsthafte Friedensverhandlungen mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aufzunehmen. „Um zu zeigen, dass die Türkei ernsthaft an Frieden mit den Kurd:innen interessiert ist, muss Erdoğan die Angriffe auf kurdische Gebiete in Nordsyrien einstellen und den seit mehr als einem Vierteljahrhundert inhaftierten PKK-Gründer Abdullah Öcalan und weitere führende kurdische Politiker:innen wie Selahattin Demirtaş freilassen. Sie können den beginnenden Friedensprozess nur in Freiheit erfolgreich begleiten und positiv beeinflussen“, erklärte der GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido heute in Göttingen.
Ankara muss „historische Chance“ nutzen
Der PKK-Begründer Abdullah Öcalan hatte am Donnerstag in einer historischen Erklärung seine Partei zum Niederlegen der Waffen und zur Auflösung aufgerufen. Der Schritt solle den Weg zu Frieden sowie einer würdevollen und politischen Lösung der Kurdistan-Frage und Demokratisierung der Türkei ebnen, erklärte der seit 1999 auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierte 75-Jährige. Die PKK verkündete daraufhin einen einseitigen Waffenstillstand mit der Türkei. Sido forderte die Regierung in Ankara auf, diese „historische Chance“ zu nutzen. Für Millionen Kurd:innen und Angehörige anderer Minderheiten, aber auch Türk:innen, die durch die Kämpfe in Mitleidenschaft gezogen werden, bestehe die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt.
NATO-Länder sollen friedliche Lösung unterstützen
„Auch die NATO-Regierungen, insbesondere die deutsche Bundesregierung, sind gefordert, eine friedliche Lösung zu unterstützen. Aufgrund der politischen und diplomatischen Unterstützung sowie der Waffenlieferungen an die Türkei ist Deutschland mitverantwortlich für alle Verbrechen des türkischen Staates an Kurd:innen und anderen Minderheiten. Die Bundesregierung sollte daher auf die Türkei einwirken, die anhaltenden Angriffe auf Kurd:innen einzustellen, um bessere Bedingungen für ein Ende der Gewalt zu schaffen“, forderte Sido.
Türkei setzt Angriffe gegen Nord- und Ostsyrien fort
Die Türkei hat in den vergangenen Tagen ihre Angriffe gegen kurdische Gebiete in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien fortgesetzt. Vornehmliches Ziel bleiben der Tişrîn-Staudamm und die Qereqozax-Brücke am Euphrat sowie Dörfer südlich von Kobanê. Am Tag vor Öcalans Aufruf hatte die türkische Luftwaffe Stellungen der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) in der Wüstenregion Al-Ruwaished bombardiert und zwölf Menschen getötet. Die QSD kämpfen in dem Gebiet südlich von Hesekê gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS).
Befürchtungen, Ankara könne Friedensprozess wieder torpedieren
„Dieses Verhalten des türkischen Staates lässt befürchten, dass er den beginnenden Friedensprozess wie in der Vergangenheit torpedieren wird“, sagte Sido. Die anhaltenden Angriffe der Türkei auf Kurd:innen könnten auch jene Kräfte stärken, die von Öcalans Aufruf nicht begeistert sind. Die größte Gefahr für das Scheitern des Friedens sei daher Erdoğans Machthunger, äußerte der Menschenrechtler seine Befürchtung. Hilfreich für einen Friedensprozess könnte auch ein Ende der Kriminalisierung der Kurd:innen durch die deutsche Bundesregierung sein. „Wenn die deutsche Bundesregierung den beginnenden Prozess wirklich unterstützen will, sollte sie zumindest prüfen, welche Betätigungsverbote für die PKK ausgesetzt werden müssen, um den Auflösungsprozess der von der Türkei und ihren Unterstützern als Terrororganisation eingestuften PKK zu fördern.“
Foto: Pressekonferenz der DEM-Partei zur Verkündung des Aufrufs von Abdullah Öcalan am 27. Februar in Istanbul © DEM