Gergerlioğlu aus dem Krankenhaus verschleppt?

Der HDP-Politiker Ömer Faruk Gergerlioğlu ist offenbar aus dem Krankenhaus in Ankara verschleppt worden.

Der HDP-Politiker Ömer Faruk Gergerlioğlu ist offenbar aus dem Krankenhaus in Ankara verschleppt worden, in das er vergangene Nacht nach seiner Verhaftung aufgrund akuter Beschwerden gebracht wurde. Das teilt sein Sohn Salih Gergerlioğlu auf Twitter mit. Einer Abordnung der Demokratischen Partei der Völker (HDP) ist im Krankenhaus die Auskunft verweigert worden. Die HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan und Mithat Sancar haben unterdessen eine schriftliche Stellungnahme abgegeben, in der sie den Widerstand des Abgeordneten als Kampf für Menschenwürde bezeichnen.

In der Erklärung heißt es: „Unserem Abgeordneten Ömer Faruk Gergerlioğlu ist auf ungesetzliche und ungerechte Weise das parlamentarische Mandat entzogen worden. Was ihm vergangene Nacht angetan wurde, ist ein Beleg dafür, wie wichtig der Kampf für Menschenrechte ist.

In diesem Land werden Menschenrechte und Freiheiten bei jeder Gelegenheit auf schwere Weise von der Regierung verletzt. Unser Abgeordneter Gergerlioğlu ist in einem Akt der Vergeltung festgenommen worden. Obwohl ihm bei der Gesundheitskontrolle ein Attest ausgestellt wurde, ist er ins Gefängnis überstellt und mitten in der Nacht erneut ins Krankenhaus gebracht worden, wo er auf die Intensivstation verlegt wurde. Auf die Ärzte wird Druck ausgeübt, damit er unverzüglich zurück ins Gefängnis gebracht werden kann.

Die Regierung setzt ihre Aggression gegen jene fort, die Menschenrechtsverletzungen zur Sprache bringen, belegen und öffentlich machen. Mit Ömer Faruk Gergerlioğlu ist dieser Zustand auf die Spitze getrieben worden.“

Die HDP werde weiter zusammen mit Gergerlioğlu für Menschenrechte kämpfen, so die Parteivorsitzenden: „Wir werden keine Zugeständnisse machen und uns weiter gegen die Regierung positionieren, die den Willen des Volkes missachtet und alle menschlichen Werte verletzt. Die Gerechtigkeit wird siegen, die Wahrheit wird siegen.“

Widerstand heißt Leben“

Gergerlioğlu war bei seiner Verhaftung misshandelt und ohne Schuhe aus der Wohnung gezerrt worden. Dem Abgeordneten aus Kocaeli war am 17. März das parlamentarische Mandant wegen einer rechtskräftigen Verurteilung entzogen worden. Die Behörden hatten für den Haftantritt eine Frist von zehn Tagen gesetzt. Gergerlioğlu hatte angekündigt, dass er der Aufforderung nicht nachkommen und sich in seiner Wohnung aufhalten wird.

In den vergangenen Wochen hat sich der Politiker öffentlich unentwegt weiter für die Durchsetzung von Menschenrechten und rechtlichen Standards in der Türkei eingesetzt. Während er in seiner Wohnung auf seine Verhaftung wartete, erklärte er in einer Livesendung: „Diese Unterdrückung wird eines Tages enden. Im Moment wird versucht, die Hoffnung eines Landes auf Frieden zu zerstören. Ich werde bestraft, weil ich die Wahrheit zur Sprache gebracht habe und ein Vertreter unseres Volkes bin. Nicht ich habe die Würde dieses Volkes mit Füßen getreten. Ich werde weiter kämpfen und eines Tages zurückkommen. Auch wenn ich nicht zurückkehre und im Gefängnis bin, bleibe ich ein Vertreter dieses Volkes. Die Geschichte hört hier nicht auf, die Unterdrückung kann so nicht weitergehen. Ich wiederhole, was ich bereits im Parlament gesagt habe: Widerstand heißt Leben.“

Hintergrund der Verurteilung

Im Februar hatte der türkische Kassationshof eine zweieinhalbjährige Haftstrafe gegen d Gergerlioğlu wegen seiner sowohl an den türkischen Staat als auch die kurdische Bewegung gerichteten Friedensappelle bestätigt. Von der Justiz wird der Einsatz für Frieden – im konkreten Fall in Form eines Retweets aus dem Jahr 2016 – als Terrorpropaganda ausgelegt.

Grundlage der Anklage gegen Gergerlioğlu war zunächst eine Friedensbotschaft. Der Politiker, der von Beruf eigentlich Arzt und Spezialist für Lungenkrankheiten ist, engagierte sich nach den einseitig von der türkischen Regierung beendeten Friedensverhandlungen mit der kurdischen Bewegung im Jahr 2015 für die Friedensplattform in Kocaeli. Bei den Social-Media-Konten der Initiative veröffentlichte Gergerlioğlu nahezu täglich Friedensbotschaften, so auch am 9. Oktober 2016. An diesem Tag postete er ein Foto, das eine gestellte Szene während einer Veranstaltung zum Weltfriedenstag 2015 zeigte: zu sehen sind mehrere Frauen und im Vordergrund zwei Särge. Im einen ein türkischer Soldat, im anderen ein PKK-Kämpfer, die durch entsprechende Fahnen auf den Särgen zu erkennen sind. Unter das Bild schrieb Gergerlioğlu: „Dieser Krieg erschöpft die Gesellschaft. Ein Kind geht zur Armee, ein anderes zur PKK, beide sterben. Wäre es nicht besser, die beiden würden nicht als Leichen nebeneinander liegen, sondern gleichberechtigt leben, Schulter an Schulter?“