Genervte Richterin: Freispruch im Fahnenprozess in München
Im Prozess vor dem Amtsgericht München wegen einer YPJ/YPG-Fahne auf einer Demonstration gegen die Besatzung von Efrîn ist der Angeklagte freigesprochen worden.
Im Prozess vor dem Amtsgericht München wegen einer YPJ/YPG-Fahne auf einer Demonstration gegen die Besatzung von Efrîn ist der Angeklagte freigesprochen worden.
Vor dem Amtsgericht München hat heute ein weiterer Prozess gegen einen Aktivisten stattgefunden, der auf einer Demonstration im April 2018 gegen die völkerrechtswidrige Militärinvasion der Türkei in Efrîn protestiert hat. Angeklagt war er wegen der Verwendung vermeintlich verbotener Symbole, konkret ging es um die Fahne der YPJ/YPG. Die Frauen- und Volksverteidigungseinheiten sind in Deutschland nicht verboten. Ihre Fahnen dürfen nach Seehofer-Logik nicht öffentlich gezeigt werden, wenn ein Bezug zur Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) besteht.
Nach einer knapp dreistündigen Verhandlung wurde der Münchner Aktivist freigesprochen, da ein direkter Bezug zur PKK nach Ansicht der Richterin nicht nachweisbar war. Zu Beginn verlas der Angeklagte eine kurze Erklärung, in der er begründete, warum er im vergangenen Jahr auf einer Demonstration gegen den türkischen Angriffskrieg auf Efrîn eine solche Fahne getragen hat. Er verwies auf das verbrecherische Schweigen des Westens: „Anstatt die einzige Kraft für Demokratie und Gleichberechtigung von Frauen zu unterstützen, sieht die EU zu, wie der türkische Autokrat Erdoğan völkerrechtswidrig Gebiete in Syrien angreift. Ich bin damals auf diese Demonstration gegangen, da ich Werte wie die Gleichberechtigung der Frau, Selbstbestimmung der Völker, demokratische Wahlen und Laizismus teile und die YPG/YPJ eben für diese Werte in der Region stehen und gegen die Barbarei in Form des IS kämpfen.“
Hauptberufliche Screenshots
Als Zeuge trat ein Polizeibeamter auf, dessen Hauptaufgabe im Staatsdienst offenbar die Verfolgung kurdischer Symbole in den sozialen Medien und auf Demonstrationen ist. Von diesem Beamten erstellte Screenshots von „Likes“ des Angeklagten auf Facebook wurden in das Verfahren eingeführt, um einen Bezug zur PKK zu finden. Unter anderem ging es um die Internationalistische Kommune von Rojava und die ökologische Kampagne „Make Rojava Green Again“, aber auch um antifaschistische Organisationen aus Deutschland.
Ein weiterer Polizist sagte im Anschluss als Zeuge aus, dass auf der friedlichen und angemeldeten „Free Afrin"-Demonstration am 21. April 2018 mit insgesamt 300 bis 400 Teilnehmern 16 bis 20 Zivilpolizisten im Einsatz waren.
Als nächstes trat Herr Koch vom Bundesinnenministerium auf, der nur wiederholen konnte, was seine Kollegen aus dem BMI schon etliche Mal zuvor auf dem Zeugenstuhl in München erzählt haben. Er erklärte wahrheitswidrig, dass die YPG eine direkte militärische Unterorganisation der PYD sei. Die PKK sei eine „linksextremistische Organisation, die für Räterepublik-ähnliche Ziele kämpft" und rekrutiere auch in der deutschen linken Szene Kämpfer.
Die Staatsanwältin beharrte auf der altbekannten Behauptung, die PKK nutze die positive Reputation der YPG aus, die diese im Kampf gegen den IS gesammelt haben, und forderte am Ende 75 Tagessätze á 30 Euro für das Tragen der Fahne. Die sichtlich genervte Richterin wollte das Spiel nicht mitmachen und sprach den Angeklagten frei, da ein direkter Bezug zur PKK nicht nachweisbar sei.
Die Staatsanwaltschaft wird aller Wahrscheinlichkeit nach wie bei ähnlichen Urteilen zuvor in Berufung gehen. Am 15. Juli kommt es deshalb zum Beispiel zur Verhandlung gegen Ludo Vici in zweiter Instanz. Der Kabarettist und Schauspieler ist im vergangenen November in München freigesprochen worden. Er hatte gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt, den er wegen des Teilens eines Beitrags des Kommunikationswissenschaftlers Kerem Schamberger auf Facebook bekommen hatte, der das Symbol der Volksverteidigungseinheiten YPG enthielt.