„Bijî Serok Apo“: Staatsanwaltschaft Braunschweig knickt ein

Vor dem Amtsgericht in Braunschweig sollte heute ein Prozess wegen des Rufens von verfassungswidrigen Parolen stattfinden. Die Staatsanwaltschaft hat jedoch kurz vor der Verhandlung den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurückgenommen.

Vor dem Amtsgericht in Braunschweig sollte heute ein Prozess wegen des Rufens von verfassungswidrigen Parolen stattfinden. Einer 22-jährigen Angeklagten war vorgeworfen worden, auf einer Demonstration im März des vergangenen Jahres in Braunschweig als Versammlungsleiterin über Lautsprecher die Parole „Bijî Serok Apo“ (deutsch: Es lebe Apo) gerufen zu haben. Aufgrund eines Strafbefehls vom 16. August 2018 hätte die kurdische Aktivistin eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 300,00 Euro zahlen sollen. Doch zu der für Mittwoch angesetzten Verhandlung kam es nicht.

Nach dem Einspruch gegen den Strafbefehl sollte die mündliche Verhandlung heute Nachmittag mit drei Polizeizeugen stattfinden. Der Verteidiger der Angeklagten hatte allerdings schon vor der Verhandlung dem Gericht und der Staatsanwaltschaft Kopien von Gerichtsentscheidungen ähnlicher Fälle übergeben, in denen die Anklage nicht mal zugelassen wurde. Die Staatsanwaltschaft wollte daher offenbar eine rechtliche Auseinandersetzung um die Meinungsfreiheit auf kurdischen Versammlungen vermeiden und zog den Strafbefehl schon vor der Verhandlung zurück.

Die Initiative „Freund*innen der kurdischen Freiheitsbewegung“ die zur solidarischen Prozessbegleitung aufgerufen hatte, kommentierte den heutigen Tag mit einer schriftlichen Stellungnahme. Darin heißt es: „Der Versuch, kurdische Aktivist*innen durch das Überhäufen mit Prozessen und Strafbefehlen von der kurdischen Freiheitsbewegung zu entfremden, hat in diesem Fall nicht funktioniert. Damit wird offensichtlich, wie wenig das politisch-rassistische Vorgehen der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden, im Angesicht einer drohenden Niederlage, sogar mit dem repressiven deutschen Recht im Einklang zu bringen ist.

Die durch das Einwirken des despotischen Erdogan-Regimes motivierte Praxis, die Bewegung durch das Überziehen mit Strafverfahren zu lähmen, muss am gemeinsamen Widerstand scheitern. Auch die willigen Erfüllungsgehilfen in ‚Verfassungsschutz‘, Behörden und Innenministerium müssen eingestehen, dass eine Lösung des Bürgerkrieges in der Türkei nicht im Kniefall vor der türkischen Politik zu finden ist. Ein friedliches Zusammenleben ist nur zu erreichen, wenn Kriminalisierung aufhört und freie politische Meinungsäußerung möglich ist“.