Gedenken an Hrant Dink: „Du bist hier, Ahparig“

Der Mord an dem armenischen Journalisten Hrant Dink jährt sich heute zum vierzehnten Mal. Vor dem Gebäude seiner Zeitung „Agos“ in Istanbul ist an ihn erinnert worden.

Vor vierzehn Jahren, am 19. Januar 2007, wurde der armenische Journalist Hrant Dink von einem türkischen Nationalisten vor dem Gebäude seiner Zeitung Agos in Istanbul erschossen. In den ehemaligen Redaktionsräumen der armenisch-türkischen Wochenzeitung, deren Chefredakteur Dink von 1996 bis zu seinem Tod war, ist jetzt eine Gedenkstätte untergebracht. Dort findet auch die alljährliche Gedenkveranstaltung statt, in diesem Jahr war die Zahl der Teilnehmenden Pandemie-bedingt jedoch stark begrenzt. Vor dem Gebäude auf der beidseitig von der Polizei abgesperrten Halaskargazi Caddesi im Stadtteil Şişli durften sich nur die Familie von Dink, seine Freund*innen und Kolleg*innen, die Parlamentsabgeordneten Sezgin Tanrıkulu und Ahmet Şık sowie die Presse versammeln.

Wie in jedem Jahr wurde auch diesmal Hrant Dinks Lieblingslied „Sari Gyalin“ abgespielt, auch eine von ihm persönlich eingesungene Version ertönte aus den Lautsprechern. An dem früheren Zeitungsgebäude waren Transparente angebracht worden, auf denen „14 Jahre ohne Hrant“ und „Du bist hier, Ahparig“ zu lesen war. Ahparig bedeutet auf Armenisch Bruder. An dem Platz, wo Dink mitten auf der Straße erschossen wurde, brannten Kerzen und lagen rote Nelken.

Das Gedenken begann um 15.05 Uhr, dem Todeszeitpunkt des Journalisten. Als seine Ehefrau Rakel Dink und die gemeinsamen Kinder an dem Platz eintrafen, rief die Menge: „Wir alle sind Hrant, wir alle sind Armenier” und „Es lebe die Geschwisterlichkeit der Völker“. Rakel Dink machte in ihrer Rede den Staat für den Tod ihres Mannes verantwortlich und kritisierte den Unwillen zur Aufklärung.

Die wahren Täter werden verschleiert

Auch wenn der zur Tatzeit minderjährige Auftragsmörder gefasst und verurteilt wurde, sind die Drahtzieher im Staatsapparat bis heute nicht zur Verantwortung gezogen worden. Der Prozess, bei dem die wahren Täter dieses Mordes nach wie vor verschleiert werden, dauert immer noch an. Unter anderem wird gegen Polizeibeamte ermittelt, die von den Mordplänen gewusst haben sollen. Staatsanwälte beschuldigen Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen, den die Regierung auch für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich macht, des Mordes an Hrant Dink.

Jahrelange Verfolgung

Jahrelang wurde Hrant Dink von nationalistischen Kräften in Gesellschaft und Justiz verfolgt. Auch kurz vor seinem Tod war der Journalist Anfeindungen ultranationalistischer Kreise und gerichtlicher Verfolgung ausgesetzt – wegen „Beleidigung des Türkentums”. Dink setzte sich für die Rechte von Minderheiten und eine Versöhnung zwischen Armenier*innen und Türk*innen ein, stritt für Demokratie, Freiheit und gesellschaftliche Auseinandersetzung über den Genozid am armenischen Volk 1915. Die türkische Regierung lehnt diese Einstufung bis heute kategorisch ab.