Morddrohungen gegen Witwe von Hrant Dink

Rakel Dink, die Witwe des 2007 in der Türkei ermordeten armenischen Journalisten Hrant Dink, hat Morddrohungen erhalten. Auch Rechtsanwält*innen der nach Dink benannten Stiftung erhielten äußerst bedrohliche Mitteilungen.

Die nach dem 2007 in Istanbul ermordeten armenischen Journalisten Hrant Dink benannte Hrant-Dink-Stiftung hat wegen Todesdrohungen die Justiz eingeschaltet. Wie der Vorstand am Freitag mitteilte, habe er diese Woche zwei Morddrohungen per E-Mail erhalten, die sich gegen die Witwe des Journalisten Rakel Dink sowie Rechtsanwält*innen der Stiftung richteten. Die Drohbriefe erhielten demnach den Satz „Wir könnten plötzlich eines Nachts kommen. Dann, wenn ihr es am wenigsten erwartet” – eine Äußerung, mit der in gewissen Kreisen der Türkei immer wieder Angriffs- und Mordabsichten konkretisiert werden und die auch kurz vor dem gewaltsamen Tod Hrant Dinks zu hören war. Dennoch wurde das das Leben des Journalisten nicht geschützt, obwohl die Behörden über die Mordpläne türkischer Nationalisten informiert waren. Am 19. Januar 2007 wurde Hrant Dink schließlich von einem Ultranationalisten vor dem Redaktionsgebäude seiner Zeitung Agos im Istanbuler Stadtteil Şişli erschossen. Zuvor war Dink, der für die Aufarbeitung des Völkermords an den Armenier*innen kämpfte, von den Medien zur Zielscheibe gemacht und mit Prozessen überzogen worden. 

Nach Angaben der Hrant-Dink-Stiftung wird die Einrichtung von den Verfassern der Drohbriefe beschuldigt, „Eine Mär über Brüderlichkeit” in die Welt zu setzen. Rakel Dink und die Stiftungs-Anwält*innen werden aufgefordert, das Land zu verlassen. Der Vorstand sieht die hassbeladene Rhetorik in der Türkei, die in letzter Zeit deutlich zugenommen hat, und rassistische, diskriminierende Diskurse verantwortlich, die nur dazu dienten, solche Ansätzen auszulösen, zu fördern und zu befeuern. „Es liegt in der Verantwortung aller politisch engagierten Akteure in der Türkei, auf die Gewährleistung von Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit für alle Bürger hinzuarbeiten. Wir glauben daher, dass es unsere Pflicht ist, diese Erklärung mit der Öffentlichkeit zu teilen, um die Behörden an ihre Verantwortung zu erinnern und den Ernst der Lage durch das geschaffene Klima hervorzuheben.”

Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Die Hrant-Dink-Stiftung wurde 2007 gegründet, um zu einer gerechten, freien und gleichberechtigten Türkei beizutragen; seitdem tun wir alles, was wir können, um auf unsere Ziele hinzuarbeiten. Wir von der Hrant-Dink-Stiftung möchten öffentlich bekunden, dass wir auch weiterhin Diskriminierung bekämpfen werden, um unseren Traum von einem Land zu verwirklichen, das sich Unterschiede zu eigen macht, in dem alle friedlich zusammenleben können und in dem Meinungsfreiheit herrscht.”

Hrant Dink

Hrant Dink war Mitherausgeber und Chefredakteur der armenischen Zeitung Agos. Er erhielt Morddrohungen, seit er im Jahr 2004 in dem Artikel „Sabihas Geheimnis“ mutmaßte, Mustafa Kemal Atatürks Ziehtochter Sabiha Gökçen könnte eines der armenischen Waisenkinder gewesen sein, die 1915 den Genozid an den Armenier*innen überlebt hatten. Der türkische Generalstab nannte den Artikel eine „Gefahr für die nationale Einheit, den Zusammenhalt und die Werte der Nation“, wegen „Erniedrigung des Türkentums“ kam er vor Gericht. Ultranationalisten hielten Kundgebungen vor dem Redaktionsgebäude der Agos ab, drohten und warnten Dink, doch die Polizei lehnte Schutzmaßnahmen ab. Am 19. Januar 2007 wurde auf offener Straße ein Anschlag auf ihn verübt. Sein Mörder, der 17-jährige Ogün Samast, wurde kurz darauf in Samsun gefasst und später verurteilt, aber seine Hintermänner im türkischen Staatsapparat sind bis heute nicht zur Verantwortung gezogen worden.

Der Tod von Hrant Dink war nicht nur für seine Angehörigen und das armenische Volk ein großer Verlust, sondern für auch den Kampf um Menschlichkeit, Frieden, Geschwisterlichkeit, Freiheit und Demokratie in der Türkei. Der armenische Journalist galt als die ‚Stimme des Gewissens‘. Er war der Auffassung, dass ein Zusammenleben nur möglich ist und die Wunden der Vergangenheit nur heilen können, wenn die Vergangenheit nicht verschwiegen, sondern aufgearbeitet wird.